Umbruchzeiten erfordern neue Konzepte – Einkaufszentren im Wandel

Das Ende einer ungezügelten Warenwelt

Zweifelfrei sind die auf dem Markt zum Ankauf angebotenen Einkaufzentren trotz der Leerstände noch hoch attraktiv. Dies gilt besonders für die Innenstadt-Malls, da sie in der Regel in bester 1a Lage manchmal sogar ein ganzes Quartier belegen. Aber auch die Zentren am Rande der Agglomerationen bieten gute Entwicklungsmöglichkeiten. Es muss aber deutlich erkannt werden, ein „weiter so“, also Einzelhandelskonzepte in alter „Form“, nur in einem neuen optischen modernisierten Gewand, – dies wird nicht mehr funktionieren.

Und dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Leider lässt sich feststellen, dass der Einzelhandel, am Immobilienmarkt eine ganz besondere Sonderstellung eingenommen hat. Ursache sind u.a. die darauf spezialisierten Experten, die das Produkt in den letzten Jahren weltweit geschärft und optimiert haben und in der Konsequenz sind daraus sehr ähnliche Produkte, von Dubai über Singapur bis hin zu den gleichfalls uniformen Malls in deutschen Städten, entstanden.

Die daraus bisher resultierenden Erfolge waren in den vergangenen Jahren sichtbar und der Einzelhandel hatte sich zu einem der wichtigsten Marktteilnehmer in den Städten entwickeln können. Mit allen Begleiterscheinungen, die jeder von uns als aufmerksamer Beobachter kennt. Ein enormer Parkraumbedarf mit befristet hohen Verkehrsaufkommen und dieses nur zu den Verkaufsöffnungszeiten und danach nahezu öde, triste Fußgängerzonen in den Abendstunden und an Sonn- und Feiertagen.

Motor dieser Entwicklung war, die in den letzten mindestens 25 Jahren zunehmende durch Globalisierung erzeugte scheinbar preisgünstige Luxuswarenwelt. Diese Vielfalt, eines bis hin zur Absurdität getriebenen, erzwungenen, permanenten Warenwechsels, einer „Wegwerf-Konfektionsindustrie“, – die nicht mehr von vier saisonal bedingten Veränderungen bestimmt wird, sondern mitunter durch 5 bis 6 Kollektionen im Jahr bestückt wurde. All dieses diente als Symbol für unseren Luxus und Wohlstand.

Es wurde durch die Verlagerung der Produktion erreicht, vorrangig in den asiatischen Raum. Wo im Verhältnis zum hiesigen Markt für ein Bruchteil der Kosten produziert werden konnte und damit die Produkte zuäußerst günstigen Preisen, quasi auf den Markt geworfen wurden. Dadurch konnten sehr hohe bis höchste Gewinne erzielt werden. Um sich gegen diese parallel überflutende Konkurrenz behaupten zu können, mussten Distributoren ihre Produkte mit einem unglaublichen Aufwand an Werbung in der Gesellschaft platzieren und trugen damit dazu bei, eine scheinbar glamouröse, plakative Welt in die Haushalte der Konsumenten zu transportieren. Letztlich auch in die Innenstädte.

Spätesten mit dem Ausbruch der Pandemie hat ein Wandel begonnen sich abzuzeichnen. Die Warenlieferketten wurden perforiert und die Konsumenten waren verunsichert, und im Home-Office ist eben auch der soziale Anspruch mit dem neuesten Outfit zu erscheinen, fast schleichend verloren gegangen. Es hat zu einer nie dagewesen Veränderung geführt, von der unsere Gesellschaft nicht so recht wieder an das vorhergehende anzuknüpfen vermag, oder vielleicht besser nicht gewillt ist, es zu tun.

Hinzukommt neben der Pandemie, aber der viel entscheidendere Faktor „Climate Change“. Es bedeutet wir alle beginnen zu begreifen und dies tatsächlich möchte man sagen, Monat für Monat mehr, insbesondre wenn wir die klimatischen Verwerfungen weltweit live in den Medien verfolgen, dass wir an einem Wendenpunkt stehen. Unser Ressourcenverbrauch ist endlich und uns allen wird deutlich, dass unsere bisherige globalisierte Warenwelt, einem gravierenden Wandel unterliegt.

Dies sei vorweggeschickt.

Es mag als Anhaltspunkt für eine Erklärung dienen und den Wandel in unserer heutigen Zeit besser erklären. Kurz gesagt kann man vielleicht auch sagen: „LUXURY is Over“.

Nicht das damit komplett der Luxus „Out“ ist, aber er wird neu kalibriert und wir alle werden ihn neu wahrnehmen. Jeder für sich wird ihn neu entdecken müssen.

Neben all diesen tiefgreifenden Veränderungen kommt nun der normale Wirtschaftszyklus eines Aufs und Ab hinzu. Nach mehr als 10 Jahren stetigen Wachstums ist heute die Kehrtwende erreicht. Die Begleiterscheinung steigender Zinsen und Inflation beschleunigen diesen Prozess noch. Und nicht zuletzt müssen wir konstatieren, dass dieser Paradigmenwechsel durch kriegerische Aktionen noch verstärkt wird. Vor allem herrscht aber eine große Unsicherheit vor. Vieles was wir für unvorstellbar und sicher hielten, muss heute in Frage gestellt werden.

All diese Veränderungen wirken auf den Einzelhandel. Und mag dieses noch nicht genug sein, so kommt die rapide Ausweitung des Online-Handels hinzu. Ebenso die enorme Differenzierung der Produktwelt, wobei der stationäre Handel kaum diese Unzahl differierter Produkte, nicht mehr lokal vor Ort vorhalten kann, und somit immer weitere Konsumenten verliert.

Hierzu nur einige Zahlen

Die Anzahl der stationären Verkaufsläden hat sich seit 2002 dramatisch (von 400.000 auf 100.000) verringert. Dies gilt besonders für die Mittelzentren. Sie verlieren damit den so wichtigen Mittelstand im Handel. Treiber ist nach wie vor der Onlinehandel.

Gleiches gilt für die Mieten im Handel. Sie fallen seit 2015 kontinuierlich. Ebenso die Besucherfrequenzen. Besonders jedoch in den B/C/D Städten. Heute stehen in 1A Lagen im Schnitt rund 15 Prozent an Ladenflächen leer. In 1B Lagen sogar bis zu 25 Prozent. Hinzukommen aufgelaufene Mietrückstände.

Dies wird kein vorübergehendes Phänomen sein. Deshalb ist es notwendig eine neue Strategie zu entwickeln. Um es in Zahlen auszudrücken, bedeutet es, dass der stationäre Handel von 2019 zu heute einen Rückgang beispielweise im Bekleidungssegment von 32 Prozent verzeichnen musste. Der Online-Handel wurde dabei durch den Corona-Turbo noch forciert.

Die Erlöse im gesamten Einzelhandelsumsatz insgesamt in Deutschland sind von 2012 bis 2021 gerade mal durchschnittlich um 3,1 % p.a. gestiegen. Der Zuwachs im Onlinehandel betrug in den letzten beiden Jahren zusammen 27.5 Milliarden Euro netto. Am deutlichsten zeigt sich diese Entwicklung am Modemarkt. Während bei H&M die Umsatzentwicklung rückläufig war, so ist bei dem Onlinehändler Zalando mit einem Wachstum von 29.1 % von 2011 bis 2020 beachtlich gestiegen. Die Onlineumsätze haben sich seit 2015 bis heute fast verdreifacht, auf 107,4 Mrd. Euro.

Der stärkste Rückgang ist jedoch bei den Shopping-Centern zu erwarten. Es wird sogar von einem Rückgang von 50% unter den aktuell bestehenden Shopping-Centern mittelfristig erwartet.

Dies heißt aber nicht, dass 50 % der Center wegfallen, aber ihr Sortimenten-Mix verändert sich, und der Einzelhandel neben anderen Nutzungen, wird eine untergeordnete Rolle einnehmen. Also eine Umnutzung im großen Stil ist zu erwarten.

Interessant ist dabei, dass ältere Menschen die klassischen Merkmale der Einkaufsmöglichkeiten schätzen, während die Jüngeren eher eine Erwartung an Kultur- und Freizeitangebote in den Vordergrund stellen.

Macht es Sinn in diese speziellen „Opportunities“ zu investieren und wie sollte man sich auf diese Entwicklung vorbereiten?

Zweifelfrei sind es Lagen, die sich hervorragend bewährt haben und nicht selten wurde die Infrastruktur daraufhin angepasst. Sowohl der ÖPNV ist darauf ausgerichtet als auch der Individualverkehr. So befinden sich Autobahnabfahrten meist direkt nahe dem Verkaufsstandort einer großen Mall.

In den Innenstädten sind es oft die besten 1A Lagen. Manchmal belegen diese Einkaufszentren ein ganzes Innenstadtquartier. Sie sind Magnet für das ganze Quartier. Besonders in den Mittelstädten sind die Auswirkungen fatal, wenn diese Malls keine Frequenzbringer mehr sind. Dann sind die dort im direkten Umfeld liegenden Geschäfte von Insolvenz bedroht. Für die Städte ist es eine stadtwirtschaftlich schwierige Situation.

Dennoch es führt kein Weg dran vorbei, dass diesem Handel in den nächsten Jahren eine ganz andere Bedeutung zukommen wird. Und letztlich ist dieses auch gut so. Denn ein hoher städtischer Attraktivitätsquotient wird nicht durch eine Monostruktur geschaffen, sondern durch Diversity. Also gerade Vielfalt ist unser Schlüssel für Nachhaltigkeit und Wachstum der Innenstädte.

Daher gehen mittlerweile die Konzeptideen davon aus, ein gänzlich neues Mixed-Use Konzept anzubieten. Bei diesen Konzepten fällt dem Handel zukünftig eine viel geringere Rolle zu. Es bedeutet aber auch, dass die bisherigen Vorstellungen, dieser optimierten weltweiten Malls, einen komplett anderen Ansatz verfolgen müssen.

Mit einer anderen Gewichtungsverteilung gehören dann, viel mehr Kultur- und Freizeitangebote, neben speziellen Büroflächen und ebenso anderen Wohnformen dazu, die sehr viel mehr Wert auf Grün- und Ruhezonen legen. Diese Nutzungen müssen gänzlich neu aufeinander abgestimmt werden. Der Begriff Co-Living und Co-Working, wie auch Shares-Space tragen zu einer anderen Diversität des Standortes bei.

Und auch bei den Verkaufsflächen ändert sich vieles. Apple hat mit seinen weltweiten Stores gezeigt, dass ganz andere Wege möglich sind. Hier werden nicht vorrangig die Produkte verkauft, sondern es erfolgt eine Beratung und eine Präsentation. Das Angebot wird in den neuen Läden ein Kuratiertes sein, das zwar analog sichtbar ist, wobei, wenn sich der Kunde für eines der Produkte entscheidet, dieses dann mit seinen vielfältigen Features gemeinsam mit dem Kunden am Internet-Terminal ausgewählt und bestellt wird, um, wenn der Lieferservice perfekt ist, dass das soeben ausgewählte Produkt in wenigen Stunden der Kunde bereits zu Hause vorfindet. Also die Läden nutzen den Online-Verkehr aktiv und integrieren das stationäre Konzept mit dem Online-Handel. Kurzum eine Symbiose von analog, digital und Beratung.

Da der Einzelhandel in der Lage ist hohe Mieten (bezogen auf das Erdgeschoss) zu erwirtschaften, die in der Regel keine andere Nutzung mit ähnlicher Miethöhe erwirtschaften kann, ist er kaum durch eine andere Nutzung substituierbar. Jede andere Nutzungsart kann diese Rendite nicht kompensieren. Wenn also diese Handelsnutzung wegfällt, sind die bestehenden Investments deutlich gefährdet. Immerhin können mit der Erdgeschossmiete, in einer gut frequentierten Lage, drei Geschosse (Büro) erwirtschaftet werden.

Fällt diese Nutzung weitgehend weg, bzw. reduziert sie sich um ein Drittel, dann gilt es eine Kompensation für die bestehenden Assets zu finden. Daher verfolgen viele Konzepte, im Dialog mit der Stadt, eine bauliche Verdichtung als Kompensation zu erreichen. Dies ist nicht immer einfach, bietet aber bei einem völlig neuen baulichen Mixed Use Ansatz einen Gestaltungsspielraum, der städtebaulich vertretbar ist.

Der Konzeptansatz muss das Ziel verfolgen die Bebauungsdichte zu vergrößern. Das bedeutet, dass die bauliche Revitalisierung diesem Umstand Rechnung tragen muss. In Abstimmung mit der Stadt gilt es ggf. mehr Geschosse zu genehmigen, um einen monetären Ausgleich zu schaffen. Andernfalls dürfte es zu einem Leerstand mit fatalen Folgen kommen, und dies gilt dann gleichermaßen für das nähere Umfeld.

Wer investiert hat nichts zu befürchten, wenn er alles richtig macht

Trotz all dieser Widrigkeiten ist ein Investment in diese Zentren lohnend. Hinzu kommt das der aktuelle Verkehrswert sich nahezu halbiert hat. Also für den Käufer tun sich aktuell hervorragende Perspektiven auf, sofern er nicht das bestehende Zentrum nur verbessern möchte, sondern den hier beschriebenen Ansatz zur Veränderung eines neuen Nutzungsmix entwickelt. Die Verkäufer haben dagegen, wenn sie versuchen wollen den Verlust zu minimieren immerhin die Chance, ein ähnliches Konzept vorzubereiten und soweit dies möglich ist, die dazu gehörigen Planungen und Abstimmungen mit der Stadt Im Vorwege zu verabreden. Damit nimmt der Risikozuschlag für den potenziellen Käufer ab und der Verkaufspreis kann sich erhöhen und gleichzeitig können mehr potenzielle Käufer dafür interessiert werden ein optimales Angebot abzugeben.

Immerhin haben sich die Verkaufsfaktoren vom 22-fachen zum Teil zum 11-fachen in kürzester Zeit halbiert. Dabei zeichnete es sich für den aufmerksamen Beobachter schon vor der Coronakrise ab. Unsere Gespräche mit Vertretern der Städte und den Investoren noch im Jahr 2018 haben jedoch kein Interesse erkennen lassen und waren durchweg vom Erfolg des Einkaufszentrums als Konzept mit Zukunft überzeugt und haben an die Weiterentwicklung und das Wachstum dieser Branche geglaubt, obwohl bereits die ersten Zuckungen deutlich zu erkennen waren. Es ist eine in sich geschlossene Community, die sich selbst kalibriert.

Mit einem neuen auf die sich verändernden Bedürfnisse aufgelegtem Konzept wird eine nachhaltige langfristige Perspektive geschaffen. Bei der Umsetzung dieser Planungen wird es darauf ankommen die alten Dinosauriertechnologien für die Bewirtschaftung der Zentren komplett neu auf die heutigen Bedarfe anzupassen. Die Nebenkosten werden für die Unterhaltung dieser Zentren in den nächsten Jahren überproportional steigen und benötigen dringend neue dezentrale Heizung- und Klimakonzepte.

Da die Standortakzeptanz des Besuchers in der Regel vorliegt und die Infrastruktur darauf ausgerichtet wurde, sollten diese neuen Konzepte sehr schnell an Zuspruch gewinnen. Hinzukommt, dass die öden Fassadengestaltungen mit riesigen Reklamewänden heute keine Attraktivität mehr darstellen. Die neuen Konzepte werden viel kleinteiliger und vor allem attraktivere Fassadengestaltung mit durchmischten Grünanteil bieten. Damit wird diese massive Architektur der nicht selten schubkastenähnlichen Bauten, die sich nur durch einen attraktiven Eingang auszeichneten, abgelöst. Und durch die kleingliedrig gestalteten Gebäude-Ensembles werden halböffentliche Räume geschaffen, die zum Verweilen einladen. Letztlich auch ein Pré für die Umwelt.

Die oft fußballähnlich großen Dachflächen erhalten die Chance einen nicht unerheblichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Heutige Konzepte von integrierten Gewächsgärten auf dem Supermarkt oder Sportplätzen bieten einen besonderen Anreiz für die angrenzende Wohnbebauung und lassen den Charakter einer ausschließlich auf Einkaufen ausgereichten Stadtlandschaft vergessen.

Diese Konzepte werden ESG Konform sein und damit neue Investoren finden. Es ist zu erwarten, dass durch den in der Regel hervorragenden Standort und die dann reduzierten Nebenkosten und dem neuen Nutzungsmix, das Risiko sinkt und die Verkaufsfaktoren wieder steigen werden. Durch die Vielfalt der Nutzungen wird Lebendigkeit über die Ladenschlusszeiten hinaus geschaffen. Und dieses passt ins Gesamtkonzept der heutigen Anforderungen, wo die strengen Arbeitszeiten sich durch Homeoffice bereits aufgelöst haben.

Gelingt es im Schulterschluss mit der Stadt ein derartiges Konzept umzusetzen, dann sollten die dafür erforderlichen Kosten für Planung und Revitalisierung und einbeziehen einer Nachverdichtung als hilfreicher Kostensupport ein attraktives wirtschaftliches Ergebnis erzielen. Damit gehören Kultur, Einkaufen und Wohnen wie Arbeiten, wieder zusammen.

Ist es nicht, dass was wir gerne an den mittelalterlichen Städten so schätzen. Nicht Segregation ist gefragt, sondern Individualität und ein Mix des Angebots. Es besteht damit die Chance die Bewohner wieder mehr mit ihren Arbeits- und Lebensbedingungen zusammenzuführen und gleichzeitig ein wohnnahes hoch attraktives Freizeitanbot zu bieten.

Autor: DR. BRÜGGEMANN GMBH

Die Brüggemann GmbH ist seit 1996 erfolgreich als Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft im gewerblichen Real-Estate- und im Corporate-Sektor tätig. Ihre Partner/innen verfügen über einen breiten Erfahrungsschatz.

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