Eine Kulturepoche geht zu Ende

Lange Mietverträge in den Malls werfen manchmal ihre Schatten voraus. Wenn sie sukzessiv auslaufen, lässt sich erahnen was kommt.

„Jahrzehntelang waren die Shopping Malls der Motor in den Innenstädten und haben eine neue Einkaufskultur, insbesondere vor den Stadttoren, geschaffen. Stets mit ausreichenden Parkplatzangebot versehen, alles trocken und freundlich unter einem Dach. Doch heute stecken diese Malls in einer Krise. Ein langsames Sterben hat begonnen.“ 

Unser Einkaufverhalten beginnt sich deutlich zu verändern. Online Päckchen stapeln sich bei den Nachbarn vor der Haustür. Einkaufen heißt heute für manche gemütlich bei einer Tasse Tee im Internet zu stöbern und ungezügelt in einem schier endlos großen Warenhaus zu bestellen. Wenn es nicht gefällt, geht es problemlos retour.

Malls haben sich in den zurückliegenden Jahren immer wieder, spätestens im Rhythmus aller 15 Jahre, neue positionieren müssen. Aber der Kampf gegen den Onlinehandel kann mit den klassischen Mitteln einer Revitalisierung nicht gewonnen werden. Weder die Fülle des Angebots, noch der Preisvergleich oder gar die meist konsumorientierte Beratung sind Argumente, die Überzeugen und Bestand haben.

Die größten Kaufhäuser der Welt schaffen gerade mal 10% des Online-Warenangebots.“.

Der Bestand an #Shopping Malls hat sich in der Hochzeit der 90-iger Jahre in den USA um ein Drittel verkleinert, mit steigender Tendenz. Sie sterben zwar langsam. Das ist vielleicht einerseits gut, aber anderseits hindert es auch daran, die Gefahr des drohenden Endes rechtzeitig in seiner Dramatik für die Städte zu begreifen. So können wir heute vielerorts halbherzige Revitalisierungsversuche erkennen, die nur einen Zeitaufschub bringen. Vielmehr wäre es notwendig, beherzt und konsequent einzugreifen.

„So ist es ein Sterben in kleinen Schritten. Die Anzahl neu gebauter Malls hat sich in Deutschland seit 2010 verringert. Die Entwicklung verläuft nicht mehr so dynamisch. Vor 2010 wurden in den zurückliegenden 10 Jahren nahezu 350 Malls gebaut. Von 2010 bis 2017 waren es nur noch 50 Malls.“

Der Kunde kommt nicht mehr gerne zum reinen Einkauf in die Mall, er sucht eigentlich viel mehr. Und das Mehr findet er leider dort nur unzureichend. Da reicht es nicht aus, zusätzlich ein Kino oder ein Café anzubieten. Allein Geschäftsleute würden sich freuen, in der Innenstadt für 20 Minuten einen Ort zu finden, der ihnen Ruhe gibt, wo sie kurz eine Mail schreiben können und dabei ungestört einen Kaffee trinken oder noch schnell ein Telefonat in einer ruhigen Atmosphäre haben könnten. Wo gibt es sowas. Auf dem Flughafen sicherlich nicht, wenn man nicht gerade die Honor Lounge in Frankfurt besuchen kann.

„Einkaufen wird zur Nebensache und steht nicht mehr im Vordergrund. Die Erwartungen verschieben sich leise.“

Die Suche nach einer anderen Wohlfühloase, einem kulturellen Angebot gepaart mit Bildungsmöglichkeiten oder eine echte Beratung, die nicht bis zur Peinlichkeit in eingeübten Verkaufsphrasen verpackt wird, interessiert den Kunden.

Die Erwartungen an eine neue Innenstadt heißt heute viel mehr Angebote z.B. an Life Style Hubs, eingebettet in den Alltag der Konsumente, vorzuhalten.

„Der Kunde ist heute empfänglich für „Kulturhäuser“. „Sie ziehen Kunden an und schaffen einen Mehrwert, der über das Einkaufen weit hinausgeht. Hier gilt es, Produkte gekonnt miteinander zu verbinden. Das Wort Shopping Mall ist schlicht weg „Out“, oder sollte es zumindest sein.“

Wie ein Produkt entsteht ist spannend zu zeigen oder wie sieht die Lieferkette aus, wer benutzt das Produkt, welche Vorteile sind damit für den Kunden verbunden.

Es lassen sich viele neue Nutzungsformen aus der Mitte des aktiven Lebens des City Bewohners finden, die abseits des gewohnten Einkaufens liegen.

Sie sind dann eben nicht mehr Ergänzung zum Einkaufen, sondern umgekehrt Einkaufen wird zur Ergänzung. Denn der Online Handel führt zu einer nicht mehr vom Ort abhängigen Handlung, es findet eine „Entortung“ des Einkaufens statt.

Der Wunsch des haptischen wird jedoch bleiben, also das Produkt anzufassen, aber mitnehmen muss man es nicht, es reicht es zeitgleich zu bestellen und wenn man wieder zu Hause ist, kann es bereits geliefert sein. Das alte „Einkaufparadies“ dreht sich nicht mehr nur um das ursächliche Produkt, sondern deren soziale, kulturelle, technische wie wirtschaftliche Einbettung in die Güterwelt in der wir uns bewegen.

Wer trägt eigentlich die Verantwortung?
In der Investorenwelt wird dieser Trend und den damit verbundenen lokalen Umsatzrückgängen natürlich aufmerksam beobachtet. Es müsste eigentlich bedeuten schnell zu handeln, um neue Konzepte zu entwickeln.

Doch die neuen Zentren werden in der Regel von Developern gebaut, die eine viele kürze Verantwortungszeitspanne abdecken. Denn Developer als Initiatoren tragen nur Verantwortung für einen begrenzten Zeitraum. Sie müssen möglichst zügig ihr neues Shopping-Center realisieren. Sie müssen schnell vermieten und dabei versuchen, Mieter aus der nahegelegenen alten Mall abzuwerben und im Glanz des Neuen ihre neue Mall rasch am Markt an den Endinvestor verkaufen. Dieser ist meist ein Fonds, eine Pensionskasse oder eine Versicherung.

Das alte Centrum (besonders in den Mittelstädten) hat dann nur die Chance die Mieten zu senken oder eine Revitalisierung anzustreben, was in der Regel kaum nachhaltigen Erfolg verspricht. Und zuallerletzt stellen Kommunen und Stadtverwaltungen fest, dass sie diejenigen sind, die vor den sich ankündigenden Problemen nicht davonlaufen können. Sie haben immerhin das neue Centrum genehmigt, aber was sollten sie auch tun?

Sollten sie wie im Sozialismus behaupten zu wissen, wie hoch die Kaufkraft sein wird, um zu bestimmen wie sich der Einzelhandel entwickelt um daraufhin restriktiv eingreifen? Also, wo endet ihre Handlungskompetenz und wo beginnt eigentlich ihre Verantwortung für die City? Sind sie dafür richtig vorbereitet?

In der Übergangsphase ein dramatischer Niedergang der Innenstädte
Heute ist die Welle der Fusionen bei den Kaufhauskonzernen bereits abgeschlossen. Viele Häuser stehen auf der Verkaufsliste und sind teilweise leergezogen oder mit Ersatzmietern wie KiK und TEDi belegt. Alte städtebauliche Konzepte mit sogenannten Ankermietern, jeweils an den Enden der Fußgängerzone liegend, gehören schon lange der Vergangenheit an.

Insbesondere in den B- und C- Städten hat sich das Bild der Innenstädte gewaltig verändert. Die Lust zum Einkaufen, in den überall ähnlichen, mit Leuchtreklame bespikten Shopping Malls und überall gleichen Ladenketten schwindet. Insbesondere dort, wo sich nur wenige Fußminuten voneinander entfernt, eine weitere Mall befindet, die sich nur optisch und von ihrem Nutzungsmix unwesentlich unterscheidet.

Fast immer setzt, sobald das neue Center eröffnet wurde, ein „Tenant-Flying-Prozess“ ein. Warum auch nicht. Überkapazitäten sind nicht selten dafür verantwortlich. Die Mieten sind fast identisch und warum soll man nicht wechseln, besonders dann, wenn man noch ein halbes Jahr oder mehr mietfrei bekommt. Die Folgen sind fast immer dieselben. Das ältere Zentrum wird langsam aber sicher, sobald die Mietverträge auslaufen, leergezogen.

Obwohl das zuerst gebaute Zentrum oft den besseren Standort besitzt.

Mit dem Weggang der Mieter wird sehr schnell das unmittelbare Umfeld in den Sog eines Abwärtstrends einbezogen. Die riesigen Shopping Malls, die ohnehin nicht in die Stadtstruktur passten, infizieren nun ihr Umfeld. So wie sie in den prosperierenden Jahren für Frequenz sorgten und die kleinen umliegenden Läden davon profitierten, so beginnt statt ehemals einer Aufwärtsspirale heute die Abwärtsspirale.

Die Einzelhändler haben kaum eine Chance sich dagegen zu stemmen. Waren die Shopping Centren in den Innenstädten einst robuste selbstbewusste, platzgreifende Bollwerke des Neuen, so sind sie heute eher Zeugnisse einer vergangenen Ära.

Die Planung muss sich an den neuen Anforderungen ausrichten
Die Stadtpolitik steht dem meist hilflos gegenüber. Letztlich hat sie aber auch einen Anteil daran, als sie das neue Zentrum genehmigte und sich dadurch eine Prosperitätsstärkung ihrer Innenstadt erhoffte. Sie wollte Wachstum und hat nicht selten viel für einen reibungslos ablaufenden Wirtschafts- und Anlieferungsverkehr geleistet, und dafür so manche Flächen freigekämpft.

Bis heute verstehen die IHK´s ihre Aufgabe darin, dem Wirtschaftsverkehr den Weg zu eben und Hindernisse zu beseitigen sowie neue infrastrukturelle Freiräume zu schaffen. Ein ausgewogenes Zusammenspiel der vielfältigen Akteure und deren Interessen in der City erfordert von den Stadtverwaltungen ein hohes Maß an vernetztem Denken. Ebenso auch ein hohes Maß an Unabhängigkeit, um in der City für das Wohl des Ganzen zu sorgen.

Heute sind neue Leitideen und vor allem, ein neues Verstehen der Zusammenhänge von den Verantwortlichen in der Politik zu fordern. Schlichtweg ein Fortfahrten des Eingeübten macht wenig Sinn und führt eher zu einer weiteren Verschärfung des Ganzen. Maßnahmen, die nur die Symptome bekämpfen sind wenig zielführend. Eine Neuauflage der innerstädtischen Fußgängerzone oder eine neue Platzgestaltung sind zwar nicht abwegig, werden aber den Prozess des schwindenden Einzelhandles und seiner Überkapazitäten im Angebot nicht beheben.

Wie wird die neue City aussehen?
Wir sollten darüber nachdenken, was uns in unseren Innenstädten erwarten wird. Welche veränderten Bedürfnisse werden wir haben? Sicherlich werden die Veränderungen grundlegend sein. Und sie werden schneller kommen, als wir es für möglich halten.

Erste Veränderungen sehen wir bereits im Stadtverkehr.

Noch vor zehn Jahren konnte der Autofahrer sorglos ohne Stress abbiegen und der kurze Blick in den Rückspiegel reichte. Ihm gehörte die Straße weitgehend allein. Heute wissen wir, wie gefährlich das Abbiegen geworden ist. Die unzähligen Fahrräder, vor allen diejenigen, welche quer über Kreuzungen, aus der Seitengasse und den Fußwegen kommen sind es, die den Verkehrsfluss dramatisch mitbestimmen.

Wie schwierig eine gegenseitige Rücksichtnahme den Autofahrern beim Parken auf Fahrradstreifen fällt können wir vielfach beobachten. Nicht nur Fahrradkuriere bestimmen heute den Verkehrsfluss, auch die neuen „Scooter“ bereichern so manche Innenstädte und Plätze. Das Auto ist hier klar benachteiligt und inflexibel. Es gewinnt bisher nur, da es noch auf die alten Verkehrsnetze mit getakteter Ampelschaltung zurückgreifen kann.

Über kurz über lang dürfte sich durch die Digitalisierung des Verkehrs, also die in wenigen Jahren einsetzende Vernetzung der Dinge untereinander, ein völlig anderes digital gesteuertes Verkehrsaufkommen in den Städten einspielen. An diesem werden viel mehr Akteure mit unterschiedlichen Transportmitteln das Geschehen bestimmen. Die Dominanz des Autos wird abnehmen.

Hinzu kommt der Trend zum Car-Sharing. Auch mit dem Wegfall der Verbrennungsmotoren in den Innenstädten werden wir hinsichtlich der Lärmentwicklung und der Emissionen eine ganz andere Innenstadt erleben, die viel mehr einem Freizeitparkangebot gleicht, als dieses die Bewohner, die durch Smog und Lärm geplagt sind, heute erahnen. Das prägende Bild werden nicht mehr breite Straßenzüge sein, die durch die Innenstädte führen.

Die Innenstädte werden ihr Gesicht dramatisch verändern. Wenn alles gut läuft, werden sie eine neue, ganz andere Attraktivität erhalten. Sie werden einerseits vielschichtiger werden, und nicht mehr so monostrukturiert ausschließlich auf Einkaufen und Konsum ausgerichtet sein.

Sie werden durch eine andere Form multikulturellem Miteinander bestimmt sein.

Aber in jedem Fall, wie dies bereits heute schon erkennbar ist, wird die Innenstadt von einer selektierten, durch Wohlstand geprägten Bewohnerschaft gebildet. Die neue innerstädtische Vielfalt wird sich nicht in den unterschiedlichen sozialen Schichten widerspiegeln, sondern monostrukturiert sein.

Die Städte werden wohl kaum die Kraft aufbringen, eine wünschenswerte soziale Durchmischung zu erreichen. Denn dort wird der Anteil hochwertiger Wohnangebote erheblich zunehmen. Es wird sich ein neues Luxuswohnumfeld einspielen. Wo einst Läden waren, werden dann Luxusapartments sein. Denn nur sie können die hohen Bodenpreise erwirtschaften.

Top-Apartments in der 27 Etage oder das Green Building mit Pflanzen und großen luxuriösen Terrassen werden das Bild prägen. Sie können zu den neuen Symbolen in der City werden. Springbrunnenanlagen mit spektakulären computergesteuerten Lichteffekten und Fontänen werden dieses innerstädtische Bild abrunden.

Heute noch zum Parken genutzte Freiflächen werden entfallen und ein mehr an Grün wird dort dominieren. Kulturelle Einrichtungen werden für Frequenz sorgen. Allem voran wird der Bereich der Gastronomie weiterwachsen. Die heutige junge Generation ist wohl, wie nie zuvor eine beseelte „Food Generation“, die so manches Restaurant zum Überleben verholfen hat. Denken wir nur an die diversen „Covered Markets“ mit mäßiger Food Qualität, die heute vielerorts boomen.

Ein Konzept für den Transformationsprozess
Doch bis dahin werden wir noch etwas Zeit brauchen. Eine Zeit, die die heute vom Niedergang bedrohten Malls nicht mehr haben und die davon betroffen Städte ebenso.

Wir brauchen zum Übergang ein neues Konzept, um diese Malls wieder zum starken Motor in seinem innerstädtischen Umfeld zu machen. Dafür haben wir ein Modell mit diversen Nutzungsangeboten entwickelt, denn es gehören dazu ganz andere Nutzer. Ein ganz anderer Nutzermix. Auch die Städte müssen sich hierbei viel aktiver daran beteiligen. Es lohnt sich jedoch es umzusetzen und nicht zu warten, bis der vollständige Leerstand erreicht ist und man nur noch vor verschlossenen Türen steht.