Lassen sich steigende Mieten wieder zurückdrehen? Welche Ursachen sind für hohe Mieten verantwortlich? Was heißt eigentlich zu hoch? Können wir sagen, je höher die Attraktivität der Metropole ist, desto höher sind auch die Mieten?
Also ganz allgemein, wovon hängt die Höhe der Miete ab?
Wenn wir diesen Fragen nachgehen wollen, werden wir feststellen wie komplex die Antwort ist. Denn die Höhe des Mietzinses ist die direkte Ableitung vieler Bedingungen. Viele dieser Bedingungen sind nicht ohne weiteres zu korrigieren und lassen sich nur durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens verändern. Wenn wir über die Reduktion des Mietzinses sprechen wollen, müssen wir uns mit dieser Komplexität auseinandersetzen.
Doch zuvor ein Rückblick.
Exkurs: Berlin im Fokus vieler Akteure
Erinnern wir uns an die Zeit vor weniger als 10 Jahren zurück, als in Berlin Kreuzberg oder Moabit kaum jemand bereit war 5.000 €/qm für eine Wohnung zu bezahlen oder hohe Mieten akzeptiert hätte.
Berlin war zwar für Touristen sicherlich nicht uninteressant, aber fast immer haben unsere Gäste erzählt: „Ich komme gerne zum Kongress oder um ein Kultur-Event zu besuchen, aber ich fahre auch ebenso gerne wieder zurück“. Berlin war zur damaligen Zeit beliebt, aber konnte in keiner Weise als Wohnstandort oder gar für Business überzeugen. Der Slogan der Stadt hat dieses auch hervorragend kommentiert; arm aber sexy.
Also wer von der neuen pulsierenden, verrückten Stadt begeistert war, konnte schnuppern und in den unzähligen Bars, Restaurants und Kultureinrichtungen Tolles erleben, musste sich aber nicht festlegen dort zu wohnen oder zu arbeiten. Dies hat sich dann im Laufe der Jahre drastisch gewandelt. Permanente Präsenz in den Medien, Internationalität, Zentrum der weltweiten Politik (manchmal drei Präsidenten am Tag im Kanzleramt) zeigte langsam Wirkung.
Interessanterweise waren es eher die Ausländer, die in höchsten Tönen von der Stadt sprachen. Die Kreativszene verglich Berlin sogar mit New York. Lobbyzentralen und Medienunternehmen, wie auch diverse Start Ups haben eine eigene Challenge geschaffen. Sie waren die Vorreiter, so dass heute ein permanenter Zuzug um die 40.000 Menschen pro Jahr nach Berlin zieht. – Sie alle drängen jetzt auf den Wohnungsmarkt.
Viel Wissen kann manchmal sehr nachteilig sein. Und das galt besonders für „Westdeutschen“ und die Berliner. Denn sie hatten das Bild einer seit Jahrzehnten geteilten Stadt vor Augen, sie kannten die Unzulänglichkeiten ihrer Verwaltung, die sich erst noch entwickeln musste, sie wussten über den Unterschied zwischen den beiden Ost- und West-Teilen Bescheid. Und wer aus dem Blickwinkel München, Frankfurt oder Hamburg auf die Stadt schaute, konnte sich diese Dynamik der Stadtentwicklung kaum vorstellen. Sie vergleichen die Stadt immer mit anderen Agglomerationen in Deutschland und haben nicht beachtet, dass Berlin eben nicht mit diesen Städten vergleichbar sein wird.
Die Ausländer dagegen haben eine andere Perspektive gehabt. Sie sahen Berlin als Hauptstadt des wirtschaftlich stärksten EU Landes und hatten ganz andere Erwartungen an diese Hauptstadt. Während die Berliner eher skeptisch waren was die Entwicklung ihrer Hauptstadt betraf. Man konnte fast konstatieren, dass sie „ihre“ Hauptstadt so wie sie war, behalten wollten. Sie glaubten daran, die Geschicke der Stadt bestimmen zu können.
Besonders deutlich zeigte es sich, in einer von lokalem Denken bestimmten Verwaltung, die mit den neu auftauchenden internationalen Akteuren nicht selten überfordert war. Hinzu kam der Zwang, den enormen Schuldenberg von über 65 Milliarden abbauen zu wollen. Mit den Folgen einer geschrumpften veralteten Verwaltung, mit der wir heute zu kämpfen haben. Die Erkenntnis, dass eine funktionierende Verwaltung ein entscheidender Schlüssel zum Wachstum ist, hat sich zum Glück mittlerweile durchgesetzt. Doch ein Neuaufbau ist nicht in ein bis zwei Jahren umsetzbar.
Berlin nimmt neben den anderen deutschen Städten eine Sonderstellung ein, denn sie ist wie keine andere Stadt im Fokus ausländischer Investoren und gerät daher besonders unter Druck.
Doch zurück zu den hohen Mieten.
Ein seit Jahren raumpolitisches Versagen
Wir müssen festhalten, dass die Bundesregierung, zu mindestens in den letzten fünfzehn Jahren, wenig für den räumlichen sozialen Ausgleich geleistet hat. Dies zeigt sich nicht nur in der Bezeichnung des zuständigen Bundesministeriums (Bundesinnenministerium für Bau und Heimat) und des früheren des Verkehrsministeriums als Anhängsel. Auch die jüngste Opferbereitschaft, den wichtigsten und einzigen Staatssekretär, der sich mit dem Thema Wohnen befasst hatte zu opfern, spricht für sich und entlarvt kläglich. Es offenbart den Unterschied zwischen Sonntagsreden und Handeln.
Es gehört leider zu den vielen, zwar publikumswirksamen Auftritten, gerne über Bildung oder hohe Mieten zu sprechen, aber grundlegende Handlungen und Umstrukturierungen blieben bisher aus. Mittlerweile hat sich das Aggressionspotential in vielen Teilen der betroffenen sich als vernachlässigt fühlenden Regionen derart erhöht, dass nur noch mit einer konstatierten Aktion dieser Zustand zu revidieren sein wird. Zumindest wurde heute das Problem erkannt.
Die private digitale Wirtschaft hat auf diese Ungleichheit regionaler Entwicklungen regiert, indem sie dort kaum investiert hatte und damit den Prozess noch verstärkt. Sie wurde nicht daran gehindert, sodass heute immer noch ganze Gemeinden von schnellen Netzen ausgespart sind. Der Mobilfunk hinkt dort mehrere Generationen hinterher.
Die Frage sei erlaubt, welche Ignoranz und mangelnde Weitsicht politisch Verantwortliche auf sich beziehen müssen. Dass damit letztlich auch die Attraktivität der Städte an Raum gewinnt ist nur eine logische Folge. Wir haben versäumt im digitalen Zeitalter für den räumlichen Ausgleich an Chancen zu sorgen. Welche fatalen Auswirkungen dies im Dunstkreis der Schwarmstädte hat, können viele Bürgermeister betroffener Städte im Sog der Großstädte bezeugen. Ihre Innenstädte veröden. Auch in Berlin ist wenig von Kooperationsbereitschaft zwischen den umliegenden Städten erkennbar. Solidarität hat dort die Grenze, wo man etwas abgeben muss. Die neue Ansiedlung sollte schon im eigenen Steuerbereich bleiben.
Die großen Agglomerationen sind überproportional gewachsen. Ein Abwandern in die Städte hat stattgefunden. Dieser enorme Zuzug hatte gravierende Folgen. Wir haben es mit einer räumlichen Umverteilung zu tun, die nicht nur von Ost nach West zu verzeichnen war, sondern eben auch in die Großstädte stattfindet.
Die zurückliegende Finanzkrise 2008 hat den Prozess noch verstärkt. Mit der letzten Finanzkrise kam hinzu, dass viele Baufirmen Insolvenz anmelden mussten oder verkauft wurden. Firmen wie Holzmann AG oder Hochtief AG sind bereits Geschichte. Die Kapazitäten in der Bauwirtschaft reichen aber heute nicht mehr aus, den Baubedarf zu decken, so wie dies auch bei der städtischen Administration der Fall ist, da sie ebenfalls in der letzten Finanzkrise zur Konsolidierung der Haushalte drastisch heruntergefahren wurden.
Fassen wir zusammen: Verfehlte Raumordnungspolitik, Umverteilung von Bevölkerungsschichten verbunden mit sozialer Segregation, mangelnde Baukapazitäten und eine schwache Verwaltung vor dem Hintergrund eines steigenden Aggressionspotentials in der Bevölkerung.
Doch einen wesentlichen Aspekt dürfen wir nicht übersehen. Die deutsche Wirtschaft hat seit der Finanzkrise erhebliches geleistet, sich neu aufgestellt und ihre Effektivität gefördert. Dieses allerdings auf Basis äußerst moderaten Tarifverträge.
So mancher Lohnarbeiter in Frankreich fragt sich, ob die Deutschen überhaupt noch etwas verdienen würden. Wir sind nicht selten erstaunt, wenn wir feststellen müssen, dass im EU Ausland so manche Sozialleistung besser ist als hierzulande und auch die Altersgrenze zur Rente nicht bei 67 Jahren beginnt.
Den entscheidenden Anteil tragen die Beschäftigten, die sich dann heute auch nicht mehr die hohen Mieten in den Großstädten, wo ihre Arbeitsplätze sind, leisten können. Das Gefüge ist aus dem Ruder geraten. Wer in München geboren wurde, wird nicht unbedingt immer dort wohnen bleiben können, da er es für sich und seine Familie nicht leisten kann und den neu hinzuziehenden jungen Singles Platz machen muss.
Welche Rolle haben die Grundstückpreise?
Also der Nachfragedruck nach Wohnraum ist enorm gewachsen und trifft auf denkbar schlechte Umstände. Die Antwort, die heute überall diskutiert wird ist es, die Grundstückspreise zu senken.
Doch welchen Anteil an einem fertigen Projekt hat eigentlich der Grundstückspreis? In der Regel liegt er zwischen 15 bis 20% an den Gesamtkosten. Sicherlich können die Städte ihre Grundstücke zu einem subventionierten Preis abgeben, jedoch nicht umsonst anbieten.
Lassen Sie uns eine Grundstücksreduktion von 25% vornehmen. Dann würde dieses einem Anteil von 5 % an den Gesamtkosten bedeuten, also relativ gering und nicht entscheidend.
Auf die Miethöhe hätte es nur einen geringen Einfluss. Hier findet also eine Scheindiskussion statt. Die Einflussfaktoren hoher Bau- und Nebenkosten blieben bestehen. Auch die derzeit am Markt erzielten schwachen Renditen im Wohnungsbau von 2-3% sind nicht mehr zu reduzieren. Es lebt einzig von der Perspektive exorbitanten Wertsteigerungen. Also ein Versprechen auf die Zukunft. Der niedrige Zins von 1,5 bis 2,0 % hatte den Markt noch zusätzlich angeheizt und wird jetzt mit der zu erwartenden Verdopplungen des Einstiegszinses neue Verwerfungen auslösen. Vielleicht bis hin zum Kollaps.
Verkaufsrenditen in München im Schnitt um den 35-fachen Faktor für Wohnimmobilie in guten Lagen, also einer Rendite von 2,8 % im Einkauf sind nicht nachhaltig, zumal die Chance einer nennenswerten Steigerung in den nächsten Jahren schwindet. Dies alles ist dem Umstand einer zu hohen Nachfrage, die auf ein zu geringes Angebot trifft geschuldet.
Da der historisch gewachsene innerstädtische Raum der Agglomeration nicht wie in anderen Ländern, die nicht auf historische Stadtkerne aufbauen, zu erweitern ist, wird sich daran nichts ändern. Und dies vor dem Hintergrund einer eigentlich schrumpfenden Gesellschaft.
Wir haben versäumt, die Attraktivität ländlicher Räume zu fördern. Umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass alle digitalen Techniken bis hin zu einer funktionierenden Infrastruktur vorhanden sein könnten.
Das Image auf dem Land zu wohnen ist nicht in gleichem Maße gestiegen. Dies gilt sowohl für die jungen Bewohner, aber auch für die Alten, die gerne wieder in die Stadt zurückziehen mögen. Wenn wir hier nicht massiv gegensteuern und die ländlichen Regionen stärken und fördern, dürfte sich das Dilemma sehr schnell durch einen fiskalischen Crash lösen, der dann aber noch durch soziale Verwerfungen begleitet sein wird. Im Gegensatz zu der Finanzkrise 2008 wird es dann aber auch zu drastischen politischen Veränderungen kommen.
Was bleibt?
Da die Mieten nicht mehr anzuheben sind, bleibt als einziger Ausweg entweder aus der Agglomeration in neu entstehende suboptimalen Vororte zu ziehen oder sich in der Wohnungsgröße massiv zu beschränken. Dies kennen wir aus London oder Paris auch mit den damit verbundenen negativen sozialen Segregationserscheinungen.
Eine 200 qm großen Altbauwohnung in der Großstadt ist kaum noch zu bezahlen und stellt ein Luxus größter Güte dar. Insofern nimmt das Dilemma seinen Lauf. Der Prozess der sozialen Segregation in den attraktiven Städten streitet also weiter voran.
Gehen wir zu der Eingangsfrage zurück:
Lassen sich hohe Mieten wieder zurückdrehen? Die Mietpreisbremse bedeutet selbst bei subventionierten Grundstücken, dass bei den aktuellen sehr hohen Baukosten u.a. bedingt durch die geringen Baukapazitäten, der langsamen Verwaltung aber auch einem wachsendem Fachkräftemangel den steigenden Zinsen kaum ein Investor das Risiko des Investments eingehen wird. Das Kapital wird dann nach Alternativen in anderen Assetklassen suchen, wenn hier die Renditen zu gering werden. Das System ist schlichtweg überhitzt. Wie kann es wieder abkühlen?
Wie wird es weitergehen? Was ist Ihre Meinung?