Die Welt wird unbequemer. – eine kurze Anmerkung

Die Welt ist unbequem und wird noch unbequemer. Da hat Sigmar Gabriel bei seinem Vortrag und anschließender Diskussion bei der Freitagsrunde in Berlin wohl recht. Sicherlich brauchen wir einen handlungsfähigen starken Staat, der in der Lage ist, seinen Bürgern keine heruntergekommenen Schulen, oder auf Jahre hinaus andauernde Gerichtsprozesse mehr zumutet.

Doch was wir ebenso dringend brauchen, ist die Bereitschaft aller Bürger für Werte und Freiheit dieser demokratischen Gesellschaft einzustehen und dort, wo sie gefährdet ist einzuschreiten. Hier sind alle gefordert. So wie Obama sagt, ist es denn so schwer zu sagen: Ich will keine Nazis.

Wir brauchen mehr Anstand. Ein fast vergessener Begriff. Und, wir brauchen noch etwas, was den Namen Bildung in der Gesellschaft wirklich verdient. Doch vieles haben wir hier versäumt, aber Bildung lässt sich nicht ohne weiteres nachholen. Bildung heißt dabei viel mehr als eine Digitalisierungsoffensive.

In unserer multikulturellen Gesellschaft müssen wir mit den unterschiedlichen kulturellen Verschiedenheiten lernen, eine nachhaltige Konsensfähigkeit zu praktizieren. Gesetze und der Ruf nach einem starken Staat können nicht alles regeln. Wir müssen lernen, dort wo es notwendig ist, Verantwortung zu spüren und zu übernehmen. Dort wo etwas schief läuft, gilt es einzuschreiten und es nicht den Anderen oder gar alles nur dem Staat zu überlassen. Es bedeutet Verantwortung an seinem Platz im Kleinen wie im Großen zu spüren.

Die Spielkarten der Weltordnung werden heute neu gemischt. Neue Allianzen bilden sich an kurzfristigen Interessen orientiert aus. So erleben wir neue Kooperationen und wirtschaftliche, wie auch militärische Allianzen.

Amerika wird sein Handeln entsprechend seiner Maxime der Stärke weiterverfolgen und nicht davor haltmachen, es auch militärisch durchzusetzen. Amerika wird nicht die Geduld der kleinen Schritte gehen und schon gar nicht dazu die Zeit aufbringen wollen. Der steinige Weg einer mühevollen Diplomatie ist nicht der ihre.

Doch Deutschland tut gut daran, gerade in einem fragilen Europa, diese Strategie weiterzuverfolgen, auch wenn sie nicht selten weniger populär ist. Nicht nur für Deutschland, aber gerade für Deutschland, bleibt Frieden das höchste Gut. Wohl aber vor dem Hintergrund einer militärischen angemessenen Stärke, denn nicht alle Konflikte werden ohne diese Option zu lösen sein.

Wir müssen die Realitäten erkennen, dass heute Solidarität kurzlebigen nationalen Interessen untergeordnet wird.

 

EINE REISE INS UNGEWISSE

ERSTER ABSCHNTT

Déjà-vu
Betrachtet man die Signale aus den USA auf dem aktuellen Immobilienmarkt, dann möchte man es kaum glauben. Wieder einmal steht eine Immobilienblase kurz vor dem Platzen und wir erinnern uns ungern an die Zeit vor genau zehn Jahren zurück. Das Wendejahr ist noch vielen von uns in Erinnerung geblieben.

Doch heute haben wir eine ganz andere Situation. Die politischen Verhältnisse sind dramatisch instabiler geworden. Die Länder im Süden Europas kämpfen immer noch mit den Folgen der zurückliegen Krise und werden diese kurzfristig nicht überwinden können. Arbeitslosigkeit und „Non Perfoming Loans“ in nennenswerter Größenordnung sind noch nicht abgebaut.

Die Regierungen in der EU haben in den zurückliegenden zehn Jahren dramatische Zeiten durchlaufen. Wir haben noch gut die lautstarken Demonstrationen in Athen und die langen Nachtsitzungen in Brüssel vor Augen, ebenso das Aufkeimen nationaler „Bewegungen“ in vielen EU Ländern.

In welchem Umfeld würde heute eine neue Krise entstehen? Welche Phasen der Veränderung haben wir in den letzten zehn Jahren durchlaufen?

Ein ERSTER ABSCHNITT in fünf Phasen.

Eine neue Art zu diskutieren

Erste Phase
Wie vielen von uns fällt es mir nicht schwer, die gravierenden Veränderungen in der Weltpolitik aufzuzählen. Der Verlust an Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit ist das wohl gravierendste Momentum.

Politisch langjährig erfahrenen Akteure, besonders diejenigen, die sich beruflich seit langem mit europapolitischen Fragen befassen, lassen heute deutlich Ratlosigkeit, wenn nicht sogar emotionale Betroffenheit erkennen. Die Jungen dagegen sind eher erstaunt und registrieren sehr wohl die gesellschaftspolitischen Veränderungen. Sie können diese emotional oft nicht in ihrer ganzen Wirkung begreifen, obwohl sie die Entwicklung gut verstehen und analysieren. Der Schock kam bei vielen jungen Briten erst nach der Brexit-Wahl. Verantwortung muss man auch spüren bevor es zu spät ist.

Bei den Einen entsteht ein unangenehmes Bauchgefühl, eine Vorahnung über eine düstere Zukunft, eines neuen Weges und diese Vorahnung gilt bei vielen von uns umso mehr, wie wir uns damit auseinandersetzen.

Was wäre, wenn es „Krieg“ gäbe, ist zu einer ehrlich gemeinten Frage geworden, und löst ganz ungewohnte Reaktionen bei der Nachkriegsgeneration hervor. Die Älteren dagegen beschwichtigen eher. Sie wollen sich damit nicht mehr befassen und halten an Ihrem Nachkriegswerk einer „geschenkten #Demokratie“ fest. Wohl wahr, Sie haben unsere Demokratie nach der bitteren Zäsur unserer jüngsten deutschen Geschichte zweifelsfrei gestaltet und geprägt.

Bei unserer aktuellen Debatte in Europa sind wir dort angekommen, wo es heißt: Militärausgaben verdoppeln oder sogar verdreifachen. Dies gilt besonders für Deutschland. So hat die Nato auch mehr Entscheidungen im letzten Jahr getroffen, als in den 10 Jahren zuvor, sagt zumindest die europäische „Außenministerin“ Mogarini. Und der amerikanische Oberbefehlshaber verschickt Mahnbescheide, um diesen Prozess noch zu befeuern bis hin zum Infragestellen des Artikel 5 der Nato, dem Bündnisfall und fragt, gilt dies auch für Montenegro? Also ab wann greift noch die atomare Abschreckung. Was soll alles preisgegeben werden und ab wann glaubt man selbst betroffen zu sein?

Die Sanktionen, die in Russland bereits zu Lohn,- und Rentenkürzungen führten, beginnen den russischen Lebensstandard nachhaltig einzugrenzen und heizen den Prozess an. Wir können unweigerlich eine Reaktion erwarten. Eine unterschwellig wachsende Unzufriedenheit macht sich in Russland breit. Die Suche nach dem starken Zeichen einer stolzen und machtvollen Antwort dieser Nation wächst – aber gegenüber wem? Wird sich diese starke Antwort eher nach innen oder doch eher nach außen orientieren? Wir wissen es noch nicht.

Blicken wir in unserer vernetzten Welt nach Asien. Alte amerikanische wirtschaftlich hegemoniale Ansprüche flankiert durch militärischen Präsenz, die jedoch gegenüber China (erste hochmoderne Flugzeugträger) schwindet, konterkariert diese ehemalige unangefochtene Vormachtstellung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Auf dem anderen großen fast vergessenen Kontinent, in Nordafrika, der seit 2015, für jeden erkennbar seine Teilhabe am westlichen Wohlstand zu Fuß einfordert, ist ein weiterer Schauplatz gravierender Veränderung entstanden. Es wird nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa über Jahrzehnte beschäftigen, ganz zu schweigen von den nicht endenden kriegerischen Auseinandersetzungen, die durch religiöse Glaubensdogmen die Konflikte noch verschärfen.

Als Zielland der Migration ist ganz Europa herausgefordert. Eine in Europa wachsende Mehrheit von Menschen, die sich von althergebrachter Politik in ihren Ländern abwendet und heute keinen Diskurs mehr duldet und lautstark nach Taten ruft, beginnt, forciert durch den Wandel zu Künstlicher Intelligenz (KI), die politischen Realitäten neu zu definieren. All dieses geschieht nicht mehr nur in der Produktion, sondern bei neuen KI-Dienstleistungen auf allen wirtschaftlichen Feldern. Dies sind unsere aktuellen globalen Herausforderungen in einer darauf verunsicherten nach Antworten suchenden europäischen Politik. Alles getrieben vor dem Hintergrund wirklich revolutionärer technologischer Umwälzungen, wie wir sie seit der ersten Chiptechnologie nicht mehr erlebt haben. Es wird zu gewaltigen Arbeitsplatzveränderungen führen, auch wenn dieses zunächst bestritten wird. Die Politik versucht Skeptiker des uns bevorstehenden Paradigmenwechsels zu beschwichtigen. Und dies umso mehr, wenn sie von 70- jährigen Politikern verantwortet wird. Es reicht bis hin zur Leugnung eines Klimawandels. Es ist immer weniger an Innovationsgeist in der aktuellen Politik zu erkennen. Es gleicht eher einem Nacharbeiten, einem von den Ereignissen getriebenem Handeln.

Dagegen sehen wir höchst innovative KI-Anwendungen, neue Anwendungsarten in der Robotik bis hin zu „eingehauchter emotionaler Empathie“ in die neuen KI-Systeme. Sie werden unser Leben zukünftig begleiten. Aber mit der KI werden leider auch neue Formen effizienter First Strike Cyberkriegsführungsstrategien zu erwarten sein, sowie Beeinflussungen gesellschaftlicher Meinungen durch Fake News, begleitet durch ein ungebremstes Sammeln von Daten. Bereits heute fühlen sich viele überfordert, denn Sie ahnen und befürchten vor allem den Verlust ihrer klassischen Arbeitsplätze.

Es kommt zu einem gravierenden Bedeutungswandel der Wertschätzung gegenüber dem Faktor Arbeit. Dieses wird und ist heute schon das ideale Futter und Treibriemen für die selbsternannten „Experten“ mit den schnellen und einfachen Antworten. Kommen nun noch die drastischen Umweltveränderungen hinzu, die der Ungläubigste unter uns kaum mehr wagt zu leugnen, dann wissen wir: Lange wird es so nicht mehr weiter gehen können.

Aber wie kann es weitergehen?

Zweite Phase
Auch die nächste Phase kennen wir schon. Genauso wie wir den bis hierhin zurückgelegten Reiseweg bereits kannten. Wir müssen nur etwas tiefer in unserem Gedächtnis graben.

Die typischen Themen, um einen erfolgreichen „Paradigmenwechsel“ anzustoßen, werden bearbeitet ohne hier alles aufzuzählen, denn wir kennen es aus dem Entsetzen beim Lesen der täglichen News. Ungeschminkt werden wir damit konfrontiert. Der Paradigmenwechsel wird eingeleitet und verfestigt durch Justizreformen, politisch motivierte Personalpolitik, ein Einschränken und Umlenken der Pressefreiheit, oder durch Verfassungsergänzung, durch neue Kultur- und insbesondere Geschichtsinterpretationen.

Diese Schaltstellen sind dem aufmerksamen Beobachter bekannt. Sie werden fast gleich universell auf dem Globus angewendet. Es ist das Einleiten eines machtvollen gesellschaftspolitischen Wechsels, der schnell und geräuschlos erfolgen soll. In jedem Fall am Ende aber um Zustimmung kämpfen muss. Er wird begleitet von Zugeständnissen und Versprechungen an ihr Wählerklientel.

Doch die Kosten dieser Zugeständnisse und Versprechungen liegen in der Zukunft, sie müssen bezahlt werden. Zum „Glück“ der selbstherrlichen Autokraten gibt es dafür Kredite mit extrem langen Laufzeiten, die in die nächste Generation hineinreichen und erst der nachfolgenden Generation die Last ihrer Taten aufbürdet. Entschieden ist das stille Umschichten von Vermögenswerten. Eine globale Steuerreform ist dabei ein passables Instrument.

Ist dies erreicht, so kann die dritte Phase folgen.

Setzen wir unsere Reiseroute fort.

Dritte Phase
Jeder ist sich jetzt selbst der Nächste. Doch das stimmt nur eingeschränkt, denn es gilt nicht für Alle. Zwischen Gleichgesinnten werden Allianzen gebildet. Also jeder, der ähnlich der neuen Ideologie entsprechend denkt, handelt und Gemeinsamkeit signalisiert, ist eingeladen, eine neue starke nationale Einheit zu schaffen. Die sich neu formende „Nation“ tritt nun mit Kraft und Stolz der Öffentlichkeit gegenüber an. Sie offeriert Jedem ihre neue Identität.

Das Wir-Gefühl unter den Gleichgesinnten wird mit der Zeit nachhaltiger, selbstbewusster und stärker. Anfänge dazu konnte man bereits in der vorherigen Phase erkennen. Fast gleichzeitig, zunächst zaghaft, beginnt der Prozess der Veränderung auch an anderen Orten in Europa. Ein Prozess der „Abgrenzung“.

Eine Bereitschaft zur Solidarität gegenüber Schwächeren, Anderen, Andersartigen, in jeder Form, schafft eine imaginäre strikte „Staatsgrenze (-räson)“, die, fast bildlich gesprochen, nicht mehr überschritten werden darf. Wer sich so in seinem Umfeld positioniert, definiert gerne die Anderen als Außenseiter. Also dem Wir-Gefühl steht das „Die der Anderen“ gegenüber. Dem neu formulierten Slogan des „First“ folgt die Erkenntnis des „Alone“, – die Lager formieren sich.

Ebenso führt kein Weg daran vorbei, dass alle Volkswirtschaften, auch wenn sie noch signifikante Wachstumsraten vorweisen, in der Zukunft degressive Wachstumsraten aufweisen werden. Paradox, aber wenn man darüber nachdenkt, verständlich. Äthiopien hat die größten Wachstumsraten, auch China verzeichnet heute noch hohe Wachstumsraten. Aber sie alle sinken mit wachsendem Wohlstand ebenso. Je mehr sich Nationen einem höheren Wohlstand annähern, umso geringer ist die Rate des Wachstums. Halten wir für einen Moment inne und lassen diese skizzierten Veränderungen auf uns wirken, dann kommen wir vielleicht zu dem Ergebnis: So wie es jetzt läuft, wird es nicht weitergehen können. Wird es vielleicht einen „Relaunch-Knopf“ geben, der alles auf eine neue niedrigere Ausgangsposition zurückführt?

Doch um diesen, Allerwahrscheinlichkeit nach nur einmal drückbaren „Relaunch-Knopf“ zu betätigen, muss es weitere Voraussetzungen geben. Oder wird es uns gelingen, Schritt für Schritt Lösungen zu finden, um eine stückweise Verbesserung der Lebenssituation einleiten zu können? Auch wenn diese Verbesserungen nur langsam und mühsam zu erarbeiten sind. Deshalb bräuchten wir den Diskurs von Solidarität und Rücksicht dem anderen Gegenüber, im Bewusstsein damit eine bessere Zukunft zu schaffen.

Die Posten sind bereits vergeben.

Vierte Phase
Wahrscheinlich werden wir kaum die Kraft haben, eingefahrene Gleise zu verlassen, denn das Alltägliche bindet alle unsere Ressourcen. Bleibt da noch Zeit für Solidarität oder um einen Ausgleich über die Ressourcen zu kämpfen?

Fest steht, dass wir zunächst unseren Militäretat aufstocken werden. Die Argumente leuchten ein und überzeugen in beiden Lagern. Eine Umsetzung ist in Teilen bereits angestoßen. Dazu gehört auch mehr Autonomie in der Verteidigung und mehr Eigenständigkeit bei den „Diensten“. Bis zur finalen Phase ist allerdings zunächst ein weiterer Zwischenschritt zu absolvieren. Zum Paradigmenwechsel durch eine neue politische Gesellschaftsordnung getragen durch Künstliche Intelligenz:

Stopp. Halten wir noch einmal inne. Natürlich muss es nicht so weitergehen:

Wir haben immer die Chance und zwar zu jedem Zeitpunkt, den eingeschlagen Weg zu verlassen. Wir können die durch die Technik uns überlassene höhere Produktivität erstmals sinnvoll nutzen, mit dieser neu gewonnen „Freiheit von Arbeit zum Lebenserwerb“, unsere Energien für andere Dinge als dem Gelderwerb zu nutzen. Wir könnten nach dem Sinn unseres Zusammenlebens forschen und uns für eine humanere Gesellschaft einsetzen.

Bleiben wir aber auf dem eingeschlagenen Pfad, was werden dann die weiteren Schritte sein? Der Paradigmenwechsel wird trotzdem weiter voranschreiten.

Dazu gehört auch der permanente und zügige Austausch in den Leitungsfunktionen in allen bedeutenden politischen wie wirtschaftlichen Bereichen. Es werden neue Köpfe in fast allen Bereichen von Politik, Wirtschaft, Justiz und Kultur inthronisiert, die diesen politisch gesellschaftlichen Paradigmenwechsel mit starker Kraft vorantreiben.

Dabei wird nicht selten über die Qualifikation des „neuen Leiters“ hinweggesehen. Diese neu inthronisierten Entscheidungsträger werden es mit Loyalität danken. Auf den politischen Machtebenen muss zeitgleich das Wählerpotential bedient werden. Es gilt Geschenke zu verteilen –  in welcher Form auch immer, Steuererleichterungen, besondere Vergünstigungen und Ähnliches, gezielt auf die eigene Zielgruppe/Wählerklientel zugeschnitten.

Das neue System beginnt an Boden zugewinnen. An Zuspruch bei breiteren Massen. Selbstbewusstsein keimt auf und verfestigt sich. Das Wir-Gefühl wird durch eine konkrete Feindbildung verstärkt. Dabei ist es nicht relevant, ob es in irgendeiner Form auch nur annähernd der Wirklichkeit entspricht.

Wirklichkeit beginnt sich zu verklären. So wird gleichsam eine neue Fiktion geschaffen und als wahrheitsgetreue Realität empfunden. Jetzt ist es fast geschafft. Neue Positionen, neues Ansehen und Achtung der Anderen, auch wenn es nicht selten weniger Achtung als Angst ist. Doch Achtung auf Dauer allein reicht Niemandem. Wer eine scheinbar unantastbare Position ausübt, verfällt sehr viele schneller der Versuchung, sich zu bereichern.

Es beginnt mit den kleinen Gesten des Kameradschaftsbeweises. Letztlich endet es mit der Bereicherung aller erdenklichen dinglichen Güter des Globus. Beispiele sind in vielen nationalen Geschichtsanalysen nachlesbar und zeigen, welch ungezügeltes Ausmaß es annehmen kann. All dieses schafft Frustration und Verärgerung bei Vielen und der allgemeine Unwillen in der Gesellschaft wächst. Wie lange dieser Zustand anhalten kann ist ungewiss. Jahre oder gar mehrere Jahrzehnte sind keine Seltenheit. Vielleicht lässt sich sagen, je reifer eine Gesellschaft ist, desto kürzer wird es dauern. Wenn heute die in der Politik verantwortlichen nicht rechtzeitig dem entgegensteuern und durch ihre Angst vor dem Wähler in Lethargie verfallen, kann es schnell zu spät sein, um es noch abzuwenden.

Zunehmende Motivationslosigkeit in der Bevölkerung, sich breitmachende Ineffizienz haben zur Folge, dass, um das System aufrechtzuerhalten, die sozialen Kosten immer schwerer aufzubringen sind und vor allem immer schwerer zu verschleiern sind. Was folgt, langlaufende Kredite über gut drei Jahrzehnte und mehr abgeschlossen, kaschieren vieles, sind aber gegenüber dem aufmerksamen Bürger nicht mehr zu argumentieren. Es muss etwas Größeres, eine große Herausforderung her, damit die Nation als Ganzes gefordert ist. Es soll die Reihen wieder schließen. Es wird Zeit für eine nächste Phase.

Nimmt das Unvermeidliche seinen Lauf?

Fünfte Phase
Wenn das Unbequeme in der Bevölkerung zu Unmut führt, brauchen wir ein paralleles Thema, das ablenkt und das Gemeinschaftsgefühl der Mehrheit stärken kann. Wir brauchen zum Beispiel einen Feind von außen. Eine Bedrohung, sei sie real oder nicht, hinter der sich alle vereinen mögen. Sie soll der neuen Elite Rückhalt verschaffen. Mit dieser Bedrohung von außen lässt sich vieles vorrübergehend erklären. Kürzen der Renten. Anheben des Militäretats. Einschränken vieler Sozialleistung, und letztlich vielleicht auch eine Erklärung dafür, warum die Währung im Vergleich zu den Anderen so extrem, so schnell fällt.

Die Frage wird sein, wie soll man mit dem neuen externen Feind umgehen. Verdammen, beschimpfen, Fake News lancieren, oder gar einen militärisch begrenzten Angriff wagen? Es hängt alles von dem sich parallel dazu aufbauenden internen Gegner ab.

Ist der aus dem Nichts kommende interne Gegner noch zu bändigen oder muss er ggf. ins Abseits geschoben werden. Etabliert sich erst einmal eine neue Rechte oder neue Linke Formation, wobei diese Begriffe in unserer heutigen Zeit seine ursprüngliche Bedeutung weitgehend verloren haben, dann wird es schwer, die davon betroffenen selbstverständlichen Rechte und Werte wie  Gleichheit vor dem Gesetz, Unabhängigkeit, Solidarität einzufordern.

Die Organisationen der Finanzwirtschaft haben sich von der Wirtschaft losgelöst und haben die Funktion einer Triebfeder übernommen. Sie bestimmen viele Tendenzen. Nimmt der Schulterschluss zwischen Politik und Finanzwirtschaft zu, dann entwickelt sich eine mächtige Lobby, die die Geschicke der Gesellschaft massiv lenkt und beschneidet.

Ende erster Abschnitt.

Verantwortung spüren, das Gesicht der Stadt verändert sich

Das Gesicht der Stadt Berlin beginnt sich in den Stadteilen sehr unterschiedlich zu verändern. Die seit Jahren eher unspektakulären Stadtteile, die wesentlich durch die dort oft seit Jahren lebenden Bürger geprägt wurden, bekommen einen ungeahnten Innovationsschub.

Internationale Investoren und Developer investieren im großen Stil gerne auch in ehemalige Fabriken oder Postgebäude und tragen dazu bei, ein neues Umfeld zu schaffen. Eine der Folgen ist, dass das Klientel im Kiez sich rasant verändert. Es entstehen neue Nutzungen durch neue Mieter.

Eine Startup Szene, Künstler aus verschiedenen Branchen dienten als „Durchlauferhitzer“.

Die Mieten steigen schnell rapide an und diejenigen, die dort heute noch die Miete bezahlen können, sind bei weitem nicht mehr diejenigen, die dort manchmal ihr ganzes Leben im Kiez einen Gewerbebetrieb hatten und auch wohnten.

Es ist der scheinbar ganz normale Prozess einer wachsenden Stadt, die das Kapital anzieht und denjenigen die dort investieren lukrative Renditen versprechen. Nüchtern müssen wir feststellen, dass diese Spirale des fortgesetzten rasanten Investments zu einer Entmischung der Sozialstrukturen führt.

Der „neue Kiez“ schafft sich seine „neuen Nutzer“.

Wer den aktuellen Mietzins nicht mehr erwirtschaften kann muss gehen. Die im Kiez durch ihre Bewohner gewachsenen historischen Bezüge fallen step by step weg.

Es führt zu einem „Entleeren“ des einstigen Flairs.

Heute hat eine neue Bewohnerschaft das sagen, mit neuen Erwartungen und einem anderen Nachfrageverhalten. Nicht selten finden wir dort heute hochwertige Restaurants mit einem Michelin Stern.

Uniformität als Folge?
Nun, dies ist nichts Neues. In der Stadtsoziologie reden wir von Segregation. Es ist ein stets brisantes politisches Thema. Wohin dieser Prozess führt, ist unschwer zu prognostizieren. London ist in Europa das wohl beste Beispiel. So sind auch nicht ohnehin die Pendlerzahlen zwischen dem Berliner Umland und der Stadt in den letzten Jahren um mehr als 100 % gestiegen. Wer London noch vor dem Finanzboom kennt kann dies sicherlich sehr gut nachvollziehen.

Die Attraktivität jeder Stadt hängt u.a. mit dem Grad ihrer Vielfalt (Diversity) zusammen. Dazu gehört es auch das Typische, das Ursprüngliche zu bewahren. Also die historische Dimension, – es bedeutet, das Gewachsene einer Stadt nicht aus der politischen Stadtplanung zu verdrängen. Dies hat nur marginal mit einem reinen Denkmalschutz an Fassaden zu tun.

Es bedeutet, keinen Monostrukturen Vorschub zu leisten und eine Vielfältigkeit, die sich vor allem durch die unterschiedlichen ökonomischen Verhältnisse ihrer Bewohner darstellt, zu bewahren. Letztlich beruht es auf der Akzeptanz der Verantwortung, der vielen Akteure in der Stadt, sie „freiwillig“ wahrzunehmen. Denn nicht alles lässt sich regeln und durch Verbote umsetzen.

Es braucht einen unausgesprochenen Konsens an Wertvorstellungen und Normen, wenn man investiert. Ein Maß an Leidenschaft für sein Tun in der Stadtgemeinschaft wäre zu wünschen. Also nicht nur scheinbar Lebenswertes(Effizienz und Erfolg) zu bestimmen, sondern auch Liebenswertes in einer Stadt zu fördern und dafür einzutreten; also, anders ausgedrückt, dass man dort auch gerne Leben möchte und sich wohl fühlen würde.

Der Stadtkultur Respekt zollen.
Das trifft nur noch äußerst eingeschränkt für die heutige weltweite, an vielen Orten agierende Investorenszene zu. Wer lebt und arbeitet noch als Investor in der Stadt, wo sein Kapital über Anlagegesellschaften, Fondsgesellschaften und viele verzweigte Wege seine optimale Rendite sucht.

So müssen wir in den heutigen Agglomerationen den Trend eines nicht selten „entseelten Umfelds“ konstatieren.

Ob wir in Berlin wollen oder nicht, die vielen Beispiele anderer, weiter entwickelter Agglomerationen, sprechen für sich. Innenstädte werden in hohem Maße durch internationale Investoren (mit)bestimmt und damit ihren Vorstellungen entsprechend nicht unmaßgeblich geprägt. Es ist gleichbedeutend mit einer zunehmenden Uniformität der Innenstädte.

Internationalismus wäre das Stichwort. Eine universelle ähnliche Architektur austauschbar, kreiert aus internationalen Planungswerkstätten entsprungen.

In Europa fällt es zum Glück nicht so sehr ins Gewicht, aber in Afrika oder dem Nahe Osten wirkt es mancherorts schon skurril, insbesondere wenn der Pferdekarren vorbeifährt oder das Minarett als Nebengebäude diesen kulturellen Clash aufzeigt. Modernste Fassadenkultur im Bestformat als Fremdkörper im Umfeld.

Wer kann und soll was tun?
Die spannende Frage, worauf wir bald eine Antwort finden sollten ist: Was können Bewohner, wenn sie diese Entwicklung nicht wollen, dagegen unternehmen? Wenn sie also nicht wollen, das wohlhabende Bewohner in die bevorzugten Teile der Stadt ziehen und andere ihren alten Kiez verlassen müssen und beispielsweise eine nicht kommerzielle Kunst- und Musikszene zwar als Avantgarde zum Anheizen des Kiez gerne gesehen wird, dann aber wenn die Mieten steigen, diesen möglichst geräuschlos wieder verlassen sollen. Und vieles dergleichen mehr. Reichen also unsere Instrumente der Stadtplanung aus?

Die Kräfteverhältnisse werden alle vier Jahre einmal neu bestimmt. Davor und danach haben Lobbyakteure viel zu richten. Und vor allem müssen wir uns fragen: Was wäre der richtige Weg? Wie soll ganz praktisch die politische Entscheidung für Veränderungen herbeigeführt werden? Sind wir nicht in dem Dilemma einer Konsensgesellschaft dem Austausch der Kräfte, der Argumente, des Kapitaleinsatzes verhaftet? Es ist eben auch für Politiker kaum noch möglich, richtig erkannte Ziele ohne weiteres umzusetzen. Ändern wollen wir diesen demokratischen mühevollen Kräfteprozess sicherlich nicht, denn wohin es führt, können wir bereits in jüngster Zeit wieder erahnen, wenn wenige entscheiden was richtig und falsch ist.

Die wichtigste Frage wird sein, wieviel Zeit haben wir, als richtig Erkanntes, in Handlungsvollmachten umzusetzen?

Die städtischen Instrumente eine Kita, einen Spielplatz, oder Ausgleichspflanzungen zu fordern greifen hier nicht. Staatliche Mietpreisrestriktionen zielen ausschließlich auf die Mieterklientel. Die Gewerbetreibenden bleiben davon unberührt. Doch gerade der Mix schafft in der Summe das Besondere in einem Kiez. Bewahren wollen heißt auch, bereit zu sein zu verzichten. Also einer schnell wachsenden mittelfristigen Prosperität zu entsagen.

Wer wird das schon wollen, wenn er sich nicht betroffen fühlt?

Bereitschaft zum Verzicht
Es heißt auch abgeben zu können, um langfristig zu gewinnen. Die Umlandproblematik ist gerade in Berlin und Umgebung evident. Denken wir an die Städte Nauen, Brandenburg oder Frankfurt (Oder), alle diese Städte könnten mehr Wachstum brauchen. Frankfurt (Oder) hat heute nur noch 56.000 Einwohner. Eine geschmähte Region für internationale Investoren. Obwohl nicht weniger als 45 Minuten von der Berliner Stadtgrenze entfernt und bald mit einem internationalen Flughafen vor seinen Toren.

Wir könnten und müssten in Berlin viel mehr mit diesen Städten zusammenarbeiten, um die Kernregion Berlin zu entlasten. Wir könnten neue qualitätsvolle Räume schaffen, wo es sich für ein internationales „Business-Klientel“ auch lohnen würde zu wohnen, zu investieren, – wo man sich eben auch wohl fühlen kann.

 „Freiräume ohne ökonomische Zwänge“

Erinnern wir uns an das Desaster der Nachnutzung des Flughafens Tempelhof. Auch hier ging es um Wachstum und um die so dringend benötigten Flächen für Wohnungsbau. Durch den Bürgerbescheid gab es ersteimal ein Moratorium. Ich bin sicher, dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner nicht geahnt hatten, welch positive und ungezwungene Akzeptanz diese frei zugängliche Fläche für viele Bürger der Stadt bedeuten würde.

Wir brauchen soziale Freiräume, die von der Politik erkämpft werden müssen. Aber dies reicht bei weitem nicht aus, denn sie sind zunächst künstliche Orte in der Agglomeration, wenn sie auch viel Platz für nicht unbedingt kommerzielle Nutzungen geben. Wir brauchen einen breiten Konsens in der Investorenszene hier und dort nicht für jeden Quadratmeter die optimale Miete zu fordern.

Wie in jedem guten EKZ gibt es Mieter, die Frequenzbringer sind und eine hohe Miete nicht bezahlen können, aber zur Attraktivität des ganzen Centers einen unverzichtbaren Beitrag leisten. Wollen wir Attraktivität, dann brauchen wir Diversity. Es bedeutet den Wert zuerkennen und für den letztlich damit verbundenen allen zugutekommenden Nutzen, zu werben.

Die negativen Effekte einer entseelten Innenstadt kennen wir alle. Besonders dann, wenn die Geschäftszeiten vorbei sind und sich Tristes einschleicht.

Die Notwendigkeit zum Konsens
Nicht alles lässt sich durch Verordnungen und Restriktionen regeln, auch wenn sie hier und dort notwendig sind und wir den Eindruck haben, es könnte auch das Einhalten dieser Restriktionen nicht schaden. Doch viel mehr kommt es in der modernen Stadtgesellschaft auch darauf an, einen gemeinsamen Konsens zu schaffen. Ähnlich wie wir es so sehr in den Kleinstädten schätzen. Das berühmte Flair, die Gemeinsamkeit, die Verbundenheit mit seinem Umfeld. Dies muss auch für moderne Cities gelten.

Daran muss die Lokalpresse, die lokale Politik und der Bürger selber arbeiten. Es setzt voraus zu wissen, was dem Bürger wichtig ist. Und eben auch zu wissen, was man in der Stadt nicht will. Dieser permanente Bürgerdialog darf nicht abreißen. Hierin besteht eine typische Bringschuld aller Verantwortlichen daran mitzuarbeiten. Wie in jedem Unternehmen kann durch die Beteiligung der Mitarbeiter am Entscheidungsprozess die Effektivität und Zufriedenheit erhöht werden. Es setzt ein hohes Maß an Transparenz voraus.

Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, niemand kann sich der Notwendigkeit entziehen stets ein Teil des Erfolgs, aber auch des Misserfolgs in der Gemeinschaft zu sein. Wenn es etwas schiefläuft, ist es in den letzten Jahren leider zu einem Ritual geworden die Politik sofort an den Pranger zu stellen. Als ob sie alles sofort für jeden passend regeln könnte. Hier braucht es viel mehr Austausch und Engagement auf beiden Seiten.

Was die Zivilgesellschaft in der Lage ist selbst zu leisten ist enorm und wird viel zu wenig honoriert. Wichtig ist es den Dialog nicht abreißen zu lassen. Die Politiker müssen mehr Mut aufbringen diesen Dialog zu suchen und nicht nur dann, wenn etwas schiefläuft.