Mega-Projekte im öffentlichen Raum – Anmerkungen zur Optimierung von Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen

Ausgangssituation
Mega Projects“ sind seit Jahren in die Schieflage geraten. Dies gilt für Berlin und nicht nur für Berlin auch für Hamburg, um zwei Städte, die in die Schlagzeilen durch besondere Mega Projectsgeraten sind, herauszugreifen. In den Medien wird darüber national und international zum Teil mit Häme berichtet und diskutiert – unsere über Jahrzehnte aufgebaute Marke „Made in Germany“ wird in Frage gestellt, die Umlenkung von Steuereinnahmen als Folge aus anderen Verwendungsbereichen führt zu wachsenden Zielkonflikten; nicht zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung vieler Bürger.

Die Ursachen für diese Fehlentwicklung sind vielschichtig. Obwohl Politik und Wirtschaft an einem Ziel gemeinsam arbeiten, scheint es an lösungsorientierter Kommunikation, an einem Verständnis für die jeweiligen Restriktionen des Anderen zu fehlen. Um Mega Projekte zielorientiert und erfolgreich auf den Weg zu bringen, hat sich ein falscher Mechanismus in der Initialisierung und Vergabe der Projekte entwickelt und verfestigt – mit fatalen Folgen.

Mega Projekte werden nur unzureichend definiert. Kostenschätzungen werden bewusst am untersten Preislimit angesetzt und eine Projektbeschreibung erfolgt nur rudimentär. Es fehlen nicht selten Zukunftsszenarien, die die Entwicklung des Projektes, während des langen Planungs- und Realisierungszeitraum, der oft eine Dekade betragen kann, berücksichtigt.

Die Bauwirtschaft akzeptiert dieses Vorgehen. Sie kalkuliert über die bereits mit der Auftragserteilung eingepreisten Nachträge und Planungsänderungen dieses Verhalten mit ein. Wer sich diesem Verfahrensmechanismus beugt, kann damit letztlich gute Gewinne erzielen.

So beginnt der Bauprozess bereits zum Anfang auf der Basis einer bewussten Täuschung an dem Viele beteiligt sind.

Die Kontrolle zwischen Parlament und Regierung funktioniert hierbei nur unzureichend. Projekte werden nicht ausreichend dargestellt und auf die darin enthalten Risiken wird nicht verwiesen. Die Kostenentwicklung ist allen bekannt, wird aber nicht thematisiert.

Auch dem Bürger werden Risiken verschwiegen. Hier zeigt sich das Dilemma. Es besteht die Angst, die Nachteile des Projektes zu präsentieren. Man glaubt durch dieses Verfahren, weitgehend an der Öffentlichkeit vorbei, das Projekt zum Laufen zu bringen. Doch unsere heutige hohe Informationstransparenz führt dann zu einer heftigen öffentlichen Gegenreaktion, die nicht selten überzogen ist.

Dieses Problem nimmt mit steigendem Differenzierungsgrad von Gesellschaften zu. Autokratische   Gesellschaften haben dieses Problem in viel geringerem Maß und können deshalb u.a. sehr viel effektiver Mega Projekte realisieren. Nicht zuletzt haben dies weltweit agierende Architekturbüros auch erkannt und halten zu diesen Gesellschaften Kontakt. Sie können dort ihre internationale Architektursprache ohne Einschränkungen zu befürchten exportieren. Dies erfolgt leider nicht selten auch ohne kulturellen Bezug.

Eigentlich sollte durch die öffentliche Kontrolle des Bürgers und des Parlaments auch ein wünschenswertes Regulativ vorhanden sein, das aber durch obiges Verfahren konterkariert wird. Da Projekte in Ihrer Tragweite und Bedeutung in der Öffentlichkeit nur mit einem enormen Aufwand kommuniziert werden können und der Erfolg einer öffentlichen Akzeptanz zur Realisierung fraglich ist, besteht für die Kommune ein hohes Risiko, sich einem offenen bis ins Detail transparenten Verfahren zu unterziehen. Daher erfolgt schon vor dem Start des Projektes ein verschleiernder Prozess.

Eine weiter vertiefende Analyse würde helfen, Lösungswege aufzuzeigen. Doch es gilt den Blick nach vorne zu richten und Lösungen anzubieten. Die Beteiligten könnten bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie es wollen – daran besteht kein Zweifel.

Zieldefinition
Wie lässt sich eine nachhaltige Verantwortung für Projekte bei allen Beteiligten, insbesondere in den Führungsspitzen der Politik und Verwaltung einbringen? In der privaten Wirtschaft werden Fehler beim „Verantwortung tragen“ einfach aber effektiv durch Entlassung von Verantwortungsträgern oder sogar durch eine Insolvenz geregelt. Verantwortliche Entscheider in Politik und in Verwaltung sind davon weitestgehend befreit.

Kommunale Entscheidungsträger umgeben sich mit einer Reihe von Experten, die Ihnen, ohne eigene Verantwortung tragen zu müssen, versuchen zu erklären, wie die optimale Entscheidung für eine Zieldefinition aussehen sollte. Doch Komplexität und Sachzusammenhänge wie auch strategische Restriktionen können in der Führungsspitze nur unzureichend aufgenommen werden. Die Vielfalt der Einflussfaktoren werden in der Realität nicht angemessen transparent und schon gar nicht zeitintensiv genug geprüft.

Damit beginnt das Dilemma bereits bei der Zielbestimmung. Zeit und Wissen können in nicht ausreichendem Maße eingebracht werden und somit kommen nicht selten unzureichend definierte Zielvorgaben zur Umsetzung.

Erschwerend kommt hinzu, einmal gefasste Vorgaben sind kaum noch zu revidieren. Doch die Konsequenz daraus heißt nicht, diesen Missstand abzubauen, sondern eher sich damit einzurichten, obwohl es Alle missbilligen (wir kennen es alle, das Europaparlament zieht seit Jahrzehnten dreimal turnusmäßig um und keiner sieht heute darin noch einen Nutzen- aber wir ändern es nicht).

Nur wenn es gleichzeitig gelingt, den Verfahrensprozess einer höheren Flexibilität, der sich permanent ändernden Realitäten anzupassen und die Bereitschaft geweckt wird, diese Anpassung als natürlichen Teil des gesamten Prozessablaufs zu sehen, besteht die Chance zur Erneuerung. Entscheidungen müssen revidierbar bleiben.

Nur wer sich der Aktualität anpassen kann, hat das Recht auf eine optimale Realisierung dieser Mega Projekte.

Politik muss sich daran zukünftig mehr messen lassen. Erst dann kann eine neu organisierte operative Einheit den gewünschten Erfolg einspielen. Die Zielfindung wird heute vielfach durch öffentliche Bürgerbeteiligungsproesse beeinflusst.

Dies stellt in dem Gesamtprozess einen Teilschritt dar, der zum Verständnis notwendig ist, denn nur wenn die Zielvorgaben angemessen sind, kann die operative Einheit durch eine neue Organisationsstruktur optimiert werden.

Was wäre zu tun?  Aufbau einer operativen Mega-Project Unit
Megaprojekte gibt es auch in der privaten Wirtschaft. Unternehmen setzen in diesen Fällen ein hochkarätig besetztes, durchsetzungsstarkes und dem Vorstand direkt unterstelltes Leitungsteam ein, dass alle wesentlichen Aufgaben für das Projektziel bündelt und für ihr Ziel priorisiert und „durchzuboxen“ hat. Bei kleineren Themen wurde dafür das Produktmanagement oder das Kundengruppenmanagement entwickelt, in jedem Fall organisatorische Sondereinheiten, die mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet werden.

Wie könnte es im kommunalen Sektor aussehen? Es braucht zunächst eine auf das Projekt zugeschnittene Organisationsstruktur, eine neue, für alle sichtbare organisatorische Einheit (Unit), abseits der eingeübten Verwaltungsstrukturen und Hierarchien. Die neue Struktur muss effektiver zwischen staatlichem Interesse, privater Wirtschaft und Öffentlichkeit agieren können.

Dies lässt sich nur von der Spitze der Verwaltung ausgehend initialisieren.  Ein „Top Down Prozess“ ist dazu notwendig. Die bestehende Verwaltung muss diese neue Unit akzeptieren und unterstützen lernen. Die neue Unit wird ihre Akzeptanz nur aus dem Erfolg ihrer Projektarbeit ableiten können, aber zu Beginn und in jeder Krise muss von der obersten Leitungsebene eindeutig Rückendeckung und stetige Unterstützung geleistet werden.

Diese professionelle Steuerungs-Unit ist mit Experten zu besetzen. Diese Steuerungseinheit repräsentiert die Fachbehörden und repräsentiert höchste Kompetenz. Sie ist durch das Lernen im Prozessablauf aus sich heraus weiterzuentwickeln. Sie muss ein „Wir-Gefühl“ einer Megaproject Unit entwickeln.

Diese neue Megaproject-Unit soll über die Bereiche hinweg agieren, damit das Einhalten von Zielen, inhaltlichen Vorgaben, von Kosten und von Zeithorizonten nicht zu einer leeren Versprechung verkommen. Diese Unit wird sich jederzeit ihrer Verantwortung zum Erfolg stellen müssen, denn nur daran wird sie gemessen werden und darin erhält sie ihre Berechtigung. Diese Unit bietet die Chance, Einzelinteressen auf ein gemeinsames Globalziel zu bündeln.

Der Aufbau einer Mega-Project-Unit ist keine neue Erfindung, sie wurde bereits bei Megaprojekten angewendet. Was fehlt, ist eine automatische Verstetigung; ein allgemein gültiger von der Verwaltung akzeptierter Kriterienkatalog, in dem Größe, Komplexitätsgrad, politische und überregionale Relevanz Anhaltpunkte sind, um zu bestimmen, ab wann und welches Projekt als Mega Project eingestuft werden soll.

Durch die gemeinsame Bearbeitung eines Mega-Projects werden die Verantwortlichen mehr und mehr an spezifischen Kenntnissen und Erfahrung erlangen. Genau daran mangelt es bei den heute agierenden Akteuren. Ihre parallel zu leistenden Aufgaben erlauben es kaum, projektspezifische Erfahrungen zu sammeln und neue Kompetenz aufzubauen. Megaprojekte sind eben kein alltägliches Geschäft, weder für die Spitzenkräfte in der Verwaltung noch in der Politik. Auch soll diese Mega Unit über die Landesgrenzen hinaus tätig sein und ihre Erfahrung und ihr gesammeltes Wissen anbieten können.

Es muss deshalb darauf hingearbeitet werden, eine Kernmannschaft zu bilden, die kontinuierlich und als Vollzeitspezialisten als Steuerungseinheit fungiert. Dieses Prinzip wird angewendet, beispielsweise beim Militär (Spezialeinheiten) oder in Form der Sondereinsatzkräfte der Polizei (GSG 9). Sie haben erfolgreich schwierige Fälle abwickeln können.

Diese Lösungsmodelle organisatorischer Art sind allerdings in der kommunalen (Stadt)-Verwaltung noch nicht ausreichend etabliert. Auch damals haben leider erst bittere negative Ereignisse dazu geführt, Special-Units auf den Weg zu bringen und damit eine Professionalisierung einzuleiten (denken wir zurück an Olympia 1972). Eine eigens geschaffene „Mega-Project-Unit“, kurz „M.P.U.“, für große kommunale Bauprojekte würde sich im Laufe der Jahre zwangsläufig etablieren und strukturierte Ablaufmodelle entwickeln helfen, die die Chance verbessern, Groß-Projekte in Zeit, Kosten und Qualität, optimaler zur Umsetzung zu bringen.

Aufbau einer Kernmannschaft
Für eine Initialisierung reichen zunächst drei bis vier Fachkräfte, um einen vorlaufenden methodischen Aufbau zu leisten. Es sollte ein allgemein gültiger Strukturplan (methodischer Aufriss) zur Bearbeitung für diese Projekte entwickelt werden. Eine Begleitung durch einen neu zu schaffenden Lehrstuhl an der Universität wäre wünschenswert.

Es kommt jedoch darauf an, aus den Fachbereichen Senatskanzlei, Finanzen, Stadtentwicklung und Wirtschaft eine dauerhafte Kernmannschaft zu bilden. Diese Kernmannschaft wird sukzessiv ihre projektbezogene Erfahrung sammeln und sowohl Kompetenz wie Autorität gewinnen. Sie stellt in der Anfangsphase, je nach Projektausrichtung, ein spezifisches Team von Experten für die Realisierung der Projekte zusammen.

Sie soll einen eigenen Haushaltsetat besitzen, damit sie unabhängig und in ihren Entscheidungen autark ist. Sie sollte nicht den jeweiligen Ressortchefs der Bereiche unterstehen.

Gleichzeitig sind der Wirkungsraum und die Kompetenzen der Unit festzulegen. Ebenso ist festzulegen, welche Maßnahmen bei einem verweigerten Support der Fachbehörden zu ergreifen sind, um Klarheit für alle am Prozess Beteiligten zu schaffen ist.

Phasen zum Aufbau einer Steuerungseinheit
Drei Schritte sind notwendig um diese Unit auf den Weg zu bringen. Im Vorfeld sind zunächst die Rahmenbedingungen der Beteiligten abzuklären.

Ein Positionspapier ist zu formulieren.

Drei Schritte zur Initialisierung:

  1. Auf Leitungsebene ist der Beschluss zur Unit zu fassen. Deren Querschnittsfunktion und Handlungsspielraum sind festzulegen.
  2. Teilnehmer der Unit aus Vertretern der Finanzbehörde einschließlich Investitionsbank, Stadtentwicklung, Wirtschaftsbehörde sind zu bestimmen.
  3. Konzeptionelle Ausrichtung und Einbinden notwendiger Externer.

Zur Initialisierung sollten Gespräche in einem begrenzten Kreis zwischen den Teilnehmern vertraulich geführt und deren Anregung aufgenommen werden.

Lassen Sie uns damit beginnen. Es nie zu spät.

Autor: DR. BRÜGGEMANN GMBH

Die Brüggemann GmbH ist seit 1996 erfolgreich als Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft im gewerblichen Real-Estate- und im Corporate-Sektor tätig. Ihre Partner/innen verfügen über einen breiten Erfahrungsschatz.

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