Meine moralischen Verwirrungen

Eine Bitte um Vorschuss meine Argumente zunächst zu hören.Ich bin im Risikomanagement seit über zehn Jahren tätig. Seitdem bin ich sensibler geworden. Sensibel für Wahres und Unwahres!

Sensibel für die Suche nach einem positiven Zusammenspiel zwischen den Akteuren, den beiden großen Antagonisten: Schuldner und Gläubiger; sie sind meine Hauptakteure.

Erlauben Sie mir ein paar persönliche Ausführungen in 12 Statements. Es sind persönliche Gedanken.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Manchmal enden sie in moralischer Verwirrung. Natürlich steht es jedermann frei, mir zu widersprechen. Ich bitte Sie für die nächsten Zeilen nur um ein wenig Vorschuss an Sympathie, ohne die es auch kein Verstehen gibt.

Nicht selten wird meine tägliche Arbeit durch Schuldzuweisung des jeweils anderen begleitet. Die Verantwortung für das entstandene Desaster des „Distressed Portfolios“ wird dem „Anderen“ zugeschrieben. Doch wollten am Anfang nicht Beide das Gleiche? – Die maximal höchste Rendite!

Ist es nicht dieser, fortwährend immer gleiche Antrieb gewesen? Wenn es schiefgeht werden Schuldzuweisungen neu verteilt. Dann heißt es: War doch zu erkennen gewesen: Zu wenig Professionalität, Nachlässigkeit, schlechte Umfeld-Bedingungen, alles dies wird schützend vorgebracht. Der minimale Konsens zwischen den beiden Parteien an Regeln, Verhaltenskodex beginnt ins Wanken zu geraten. Die Krise ist da. Begleitet wird es leider fast immer durch einen Verlust an Moral.

Obwohl historisch sicher ist, dass erfolgreiche Ökonomien in der Geschichte, – immer auf eine starke moralische Grundlage gestützt waren. Denn nur so konnte ein gesellschaftlicher Zusammenhalt erhalten bleiben. Nur so waren, auch und gerade in der Krise, Volkswirtschaften erfolgreich.

Arbeiten am Abgrund.
Ich bewege mich bei meiner Arbeit im Spannungsfeld zwischen Schuldner und Gläubiger. Es ist eine Arbeit am Abgrund, mit wenig Chance, etwas wirklich Neues, kreatives zu schaffen. Eher ein Reparieren, ein Flicken – an Symptomen. In einer gespannten Atmosphäre. Mit wenig Liebe, obwohl sie gerade jetzt umso wichtiger wäre, um das Schlechte zu vertreiben.

Woher kommt Schuld?
Wir reden von Schuld. Wer von uns mag definieren, was Schuld ist? Was ist eigentlich eine Schuld? Ist es eine Ursache von etwas Unangenehmem, Böses oder ein Unglück? Die Verantwortung für etwas zu haben? Etwas wo jemand gegen sittliche Normen, Werte oder gegen die rechtliche Ordnung verstoßen hat? Oder, einfach nur schlichtweg ein Geldbetrag, dem Jemand einem anderen schuldig ist?

Der Kredit.
Kern einer Schuld ist der Kredit. Wodurch zeichnet er sich aus? Ein Kredit ist etwas worüber man nicht spricht. Es ist sogar Konsens zwischen den beiden Akteuren, darüber zu schweigen. Confidential Agreements. Wir kennen es. Das gehütete Bankgeheimnis; auf allen Ebenen.

Wir alle lesen über die Hochfinanz und doch verstehen wir die Mechanismen kaum. So frage ich mich, welche Rolle spielt sie für meine tägliche Arbeit? Dort wo Libor-Sätze definiert und Leitzinsen festgesetzt werden, dort wo Ratings vergeben und dort wo Eigenkapitalquoten über den Erfolg oder Misserfolg einer Company entscheiden.

Hat es Einfluss auf mein tägliches „Real Estate Business von Distressed Properties? Was bedeutet es, dass der Schuldner nicht selten am „Tropf“ längst vergangener Zinssätze von sechs Prozent und mehr hängt, obwohl wir uns alle einen Leitzins und dies gerade in der Krise, für weniger als ein Prozent in der Gesellschaft leisten?

Un-Gleichheit.
Was mir übrig bleibt ist, Optimismus zu üben. Ein Optimist zu sein, heißt, einen Mangel an Informationen zu haben. Doch da ich meine Arbeit von Herzen tue, hege ich tief in mir den Wunsch, den Anspruch nach Gleichheit zu verstehen. Zu verstehen, warum sechs Prozent und nicht weniger, warum der eine noch eine Lästigkeitsprämie ausbezahlt bekommt und der andere einen vollen Vorfälligkeitszins zu zahlen hat und wiederum der andere einfach nur als to „Big“ und un-“failbar“ tituliert werden darf.

Ich will einen positiven Beitrag ablegen. Das mag pathetisch klingen; – Was habe ich sonst? Ich schaffe keine neuen Produkte, ich kreiere nichts Neues. Was mir bleibt ist diesen Beitrag zu etwas Besserem zwischen den Parteien zu leisten. Sie können es mir abnehmen. Es ist unser Ziel. Es ist unsere Motivation. Und wir tun dies auch mit Erfolg.

Schuld und Macht.
Zurück zu den Schulden. Muss man sie nicht zurückzahlen? Denn in Wahrheit sind sie keine ökonomischen, sondern – moralische? Also eine Verpflichtung gegenüber Andren, die es gilt zu erfüllen. Erwarten wir dies nicht ebenso andersherum?

In diesem Begriff liegt so viel Macht; sehr viel MACHT! Schuld beinhaltet immer zugleich eine Beziehung in der Macht gegenüber dem Schuldner zum Ausdruck kommt. Denken Sie an einen Mafioso: Der Mafioso weiß dies nur zu gut und bezahlt es nicht selten mit seinem Leben.

Unsere Klienten zahlen zum Glück nicht mit Ihrem Leben. Doch Retardierungen bleiben nicht aus. Bei dem Einen der Gehörsturz, beim Anderen der leichte Schlaganfall. Nicht selten eine auseinanderbrechende Familie. Spurlos geht es kaum an jemanden vorbei, der in diesen Sog hineingerät.

Das trifft auch in geringem Maße für Fondsmanager oder den Initiatoren und CEO´s zu. Sie haben doch nichts falsch gemacht. Sie sind eher erstaunt, dass man mit Ihrer Leistung unzufrieden ist, sie glauben alles richtig gemacht zu haben und fordern mit höchstem Selbstbewusstsein Ihre Abfindung. Der persönlich haftende Gesellschafter reagiert eher ganzheitlich.

Auf der anderen Seite, die Antagonisten in der Bank. Auch Sie lassen Federn. Ich habe es fast immer festgestellt, wenn Sie etwa 3 Jahre auf der Seite der Gläubiger gekämpft haben, wie Sie dann begannen sich ihr Rechtfertigungsmodell zu zimmern.

Bei einem Politiker habe ich noch nie gesehen, dass er betroffen war; gar zurücktritt. Oder gar Teile seines Einkommens zurückzahlt, weil es ihm nicht gelungen ist die Schuldenuhr wenigsten nur aufzuhalten. Also den Trend zu stoppen, geschweige denn auch nur einen Cent der Schulden abzubauen. Das moralische Verständnis, was eine Schuld ist, ist sehr unterschiedlich.

Zwei Beispiele

Was ist eigentlich eine Schuld?
Wie entsteht eine Schuld? Stellen Sie sich vor, ein kleines Kind löst sich vom Arm der Mutter und fällt vom Bahnsteig auf die Gleise. Der herannahende Zug ist bereits zu hören. Sie springen auf die Gleise und können gerade noch das Kind retten.

Steht es jetzt in Ihrer Schuld? Was werden Sie erwarten? Ist es vielleicht einfach nur soziales Zusammenleben, was es ausmacht, dass Sie demjenigen helfen, der in Schwierigkeiten ist?

Ein anderes Beispiel: Ein Ausländer fragt nach dem Weg in einem Dorf des afrikanischen Volksstamms „Der Nur“.

Er fragt nach dem Weg und wird absichtlich getäuscht. Betrübt kehrt er ins Lager zurück und fragt: Warum hat man mir den falschen Weg genannt? Jemand antwortet Ihm: „Du bist ein Ausländer, warum sollten wir Dir den richtigen Weg sagen? Selbst wenn ein Nur, der ein Fremder für unser Dorf wäre, uns nach dem Weg fragte, würden wir zu ihm sagen: „Du gehst einfach geradeaus weiter, aber wir würden ihm nicht sagen, dass der Weg sich teilt. Warum sollten wir es ihm sagen? „Aber Du bist jetzt ein Mitglied unserer Dorfgemeinschaft und Du bist nett zu unseren Kindern, deshalb werden wir Dir in Zukunft den richtigen Weg sagen.“

Was bedeutet es für uns? Auch bei unserer Arbeit zwischen Schuldner und Gläubigern müssen wir verstehen, dass wir eine Gemeinschaft sind. Hierin drückt sich letztlich der Zusammenhalt unserer Gesellschaft aus.

Schuldner und Gläubiger bilden diese Gemeinschaft. Nur wenn die Schuld von beiden aufgearbeitet wird, beide die Kraft dafür aufbringen, dann kann die Schuld getilgt werden. Sie muss in sich selbst verarbeitet werden, sie muss innerlich verbrennen, damit sie sich selbst überwindet, sodass eine Wandlung erfolgt.

Beide Parteien durchleiden diesen Prozess und müssen ihn überwinden, damit ein Neuanfang beginnen kann. Denn immer gab es ein Ende. Immer ein Gutes, denn es ist viel leichter, das Gute zu finden als das Ungute.

Der Schlüssel liegt im Wir.
Zerreißt dieser Konsens des Gemeinsinns, dann verlassen wir diese Ebene. Wir treten dann in eine neue Sphäre ein, die durch Gewalt und Tod bestimmt wird. Wir haben diesen Spannungsbogen in Griechenland gesehen. Welche weiteren Verwerfungen damit verbunden sein können, mögen wir nur erahnen.

Was heißt dies für unsere Arbeit?

Es gibt Zuversicht, denn solange wir (nur) über Geld und Kredite reden, haben wir eine gute Chance, Wege aus dem Dilemma finden. Also auch durch unser Dazutun erfolgreiche Lösungswege für beide Seiten aufzuzeigen.

Veracity.
Meine Aufgabe ist es, Insolvenzen zu vermeiden. Wir sind Insolvenz-„Vermeider“. Frieden zwischen den Parteien zu schaffen. Der Friede beruht auf der Wahrheit im Sinne von Veracity, die es gilt zu suchen und zu finden. Den Beteiligten das Gesicht zu wahren. Zukunft für den Schuldner zu schaffen. Den Prozess anständig zu handeln!

Anständig – ein Wort, dass wir bei der Betrachtung wirtschaftlicher Verflechtungen kaum gebrauchen. Dennoch ein Wort, dass immer noch einen guten Klang hat. Es kommt vom inneren Anstand her, oder vom Charakter rechtschaffend, honorig und redlich. Einem inneren sittlichen Verhalten verhaftet zu sein.

Denn es meint, dass jener Geschäftsmann anständig gewirtschaftet hat. Es meint aber auch, dass er sich in der Krise anständig verhält und ebenso Anstand verlangen darf von den Anderen.

Wann würden wir dies noch sagen? Wann, wenn wir über Risikomanagement sprechen?

Denken wir bei anständig an einen Hedgefonds? An einen global agierenden Kapitalanleger aus vielleicht London oder Asien? An Finanzdesigner, die ihre Kunden in weniger stupid, mittel stupid, bis hin zu Pensionskassen, die gar nichts raffen einteilen, und wie es geschehen ist, jedes Produkt (Cum-Ex) verkaufen?

Denken wir dabei an Goldman Sachs, die für den Staat Griechenland, unsere europäische Gemeinschaft mit Ihren Expertisen solange hinters Licht geführt hat, dass heute Tausende ohne Rente und Krankenversicherung dastehen. Tragen sie eine moralische Verpflichtung; haben sie anständig gewirtschaftet?

Alle diese Menschen sind heute Menschen, die wir nach unserer Terminologie als Schuldner bezeichnen würden.

Also wir sehen, wir müssen genau hinsehen, wenn wir von Schuldnern sprechen. So bleibt die Hoffnung, ohne moralische Verwirrungen die Gemeinschaft des Helfens nicht zu verlieren und stets anständig nach Lösungen zu suchen.

Autor: DR. BRÜGGEMANN GMBH

Die Brüggemann GmbH ist seit 1996 erfolgreich als Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft im gewerblichen Real-Estate- und im Corporate-Sektor tätig. Ihre Partner/innen verfügen über einen breiten Erfahrungsschatz.

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