Die verlorene Rolle des Architekten – ein Mangel in der Ausbildung?

Kein leichtes Thema, aber bei unserer Arbeit im Real Estate Investment stoßen wir darauf. Investoren, insbesondere internationale Developer, müssen auf eine maximale Rendite achten. Nicht selten geraten sie dabei mit ambitionierten Architekten aneinander. Sie stoßen auf eine andere Welt der Herangehensweise, die wenig von Renditeüberlegungen geprägt ist. Der Architekt versucht sein Kunstwerk zu schützen und sein Bestes durchzusetzen. Oft wird er dabei gebremst und zu guter Letzt aus dem Development Prozess möglichst schnell wieder ausgeklammert. Die auf kurzfristiges Maximieren der Erträge ausgerichtete Investorenwelt nimmt hierauf kaum Rücksicht. Ich werde deshalb über den Verlust der gesellschaftlich anerkannten Rolle des Architekten sprechen. Architekten und Planer sollten mehr darüber nachdenken, was sie dagegen tun können. Um eine einst anerkannte Rolle als Globalplaner wieder zu erlangen, müssen wir unangenehme Fragen stellen, um die richtigen Antworten zu erhalten.

Ich möchte vorweg zunächst aufzeigen, in wie weit fast alle Lebensbereiche von der Notwendigkeit zum ökonomischen Handeln beeinflusst werden, um später diesen Mangel an ökonomischen Sachverstand in der Architekturausbildung zu spiegeln. Dieses Dilemma ist nicht zu übersehen. Eine wichtige Antwort wird es sein, ob es als sinnvoll seitens der Architektenschaft gesehen wird, sich mit diesem Thema überhaupt auseinanderzusetzen.

Ich möchte zunächst zwei Themenbereiche vorstellen, die symptomatisch für unsere Dienstleistungsgesellschaft sind. Die Rolle von „Money and Market“ in unseren Dienstleistungsgesellschaften. Die Rolle von „Citizen Power“ als Synonym bei Bürgerbeteiligungen und Aktivitäten der Kreativwirtschaft, die nachhaltig zu Veränderungen von Planungsprozessen geführt haben. So stehen heute gewerbliche immobilienwirtschaftliche Vorhaben im Spannungsfeld zwischen sozialen, ökonomischen und technischen Herausforderungen, die es gilt erfolgreich zu managen. In diesem Spannungsfeld muss sich Architektur behaupten. Hier sollten Architekten dazu Stellung nehmen und überzeugende Antworten geben können.

Am Beispiel von Megaprojekten, die in die Schlagzeilen geraten sind wurde für Viele erkennbar, dass dieser komplexe Prozess äußerst vielschichtig ist.

Wie kann den heute gestiegenen Anforderungen entgegnet werden, sodass sowohl Technik, Kunst, Kultur, Soziales und Ökonomisches seinen angemessenen Raum im Zusammenspiel erhält.

Doch zunächst drei Beispiele.

Money and market
Lassen Sie uns mit einer Frage beginnen, über die wir gemeinsam nachdenken müssen. Welche Rolle kommt Geld und Markt in unserer Gesellschaftzu? Heute gibt es sehr wenige Dinge, die man mit Geld nichtkaufen kann.

Stellen Sie sich für einige Sekunden vor, Sie würden in einem Gefängnis in Barbara Santa Monica sitzen und es wäre nicht besonders komfortabel. Dann müssen Sie wissen, dass Sie in diesem Gefängnis ein Upgrade kaufen können. Das ist wahr! Was glauben Sie, wie viel kostet dies? 500 US Dollar – … nein, es ist nicht das Waldorf Astoria, es ist ein Gefängnis; aber immerhin 82 US Dollar die Nacht.

Sie wollen zu einer Konzertpremiere gehen, müssen dafür aber in einer langen öffentlichen Schlange mehrere Stunden stehen. Da gibt es jetzt eine Lösung für Sie. Sie können extra dafür bezahlen, dass Sie vom Ende der Schlange zum Anfang der Schlange gelangen. Sie nennen es in den USA „Fast Track“. Bei vielen Veranstaltungen in Amerika zum Beispiel, Washington D.C. gibt es dieses Angebot. Manche Leute mögen nicht über eine lange Zeit in einer solchen Schlange warten, insbesondere wenn es regnet oder über Nacht, bei besonderen Veranstaltungen. Für diese Leute, die nicht warten möchten gibt es Firmen, die sich darauf spezialisiert haben. Sie können Ihnen extra Money bezahlen. Diese Firmen suchen sich „Homeless People“, die das Geld brauchen und solange in der Schlange stehen, wie es notwendig ist und kurz bevor die Veranstaltung beginnt, können Sie dann die Position am Anfang der Schlange einnehmen. Ein Beispiel für bezahltes Stehen in der Warteschlange. Sie nennen es Payed line-standing!

Was lernen wir daraus?
Es ist das Ergebnis von Marktmechanismen. Marktdenken und Marktlösungen. Es gibt kein Zweifel daran, dass diese Form der Marktmechanismen auch bei größeren Zusammenhängen Praxis findet.

Wer der Meinung ist, dass man für Geld alles haben kann, gerät leicht in den Verdacht, dass er für Geld alles zu tun bereit ist. Benjamin Franklin

Wussten Sie das, im Irak- und im Afghanistankrieg mehr private Contractors als US-Militär Trupps waren, also reguläre Soldaten. Auch wenn man in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht unbedingt wollte, dass der Krieg an private Firmen ausgelagert werden sollte, ist es doch eine Tatsache.

Realisieren Sie, was passiert?
Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, auch für das was wir nicht tun. (Molière)

Über die letzten drei Dekaden in unserer westlich orientierten Welt hat es eine stillschweigende Revolution gegeben. Wir sind hineingerutscht in eine vom Markt dominierte Gesellschaft. Vorwiegend ist die Marktökonomie das Werkzeug und dazu noch ein Wertvolles und ein Effektives, um optimale Gewinne zu organisieren. – In unseren marktbestimmten Gesellschaften ist fast alles zum Verkauf!

Marktkonformes Denken in Marktwerten beginnt fast alle Aspekte des Lebens zu dominieren. Persönliche Beziehungen, Familien, Bindungen, Gesundheit, Ausbildung, Politik, Gesetze, ziviles Leben. Eine neue Form der Reproduktion des Erfolgs.

Nun gut, Sie werden sich fragen, aber was interessiert uns das in der Architektur? Auch die Architektur ist von diesem Prozess natürlich nicht ausgeschlossen. Gerade besonders künstlerisch ambitionierte Architekten stellen dieses bei Ihrer täglichen Arbeit oft schmerzhaft fest. Kenntnisse über diese ökonomischen Marktmechanismen sind entscheidend, um die Projekte erfolgreich bis zum Ende voranzutreiben.

„Losing Power “, Eine schleichende Entmündigung des Architekten
Besonders eklatant ist die Entmündigung des Architekten bei Großprojekten wie Bahnhöfen, Flughäfen, Kulturzentren und Sportstadien erkennbar. Welche Nebenrolle der Architekt für das gesamte Development spielt, lässt sich besonders bei diesen beiden Großprojekten Hauptbahnhof in Berlin und Flughafen BER, Berlin Brandenburg erkennen.

Was folgt ist die Flucht ins Ausland.
So ist es nicht verwunderlich, dass Star-Architekten gerne im Ausland arbeiten, gleichzeitig nicht selten massiv gefördert durch die jeweiligen Regierungen um spektakuläre Projekte zu realisieren. Diese Projekte werden oft in weniger als zwei Jahren Bauzeit fertig gestellt. China ist dafür ein Paradebeispiel.

Diese dann dort importierte, – internationale, kulturell entlehnte Architektur -, ist ein Ausdruck (exportierter) Identität.

In diesen Ländern genießt der Star-Architekt ein hohes Maß an Ansehen und Vertrauen. Diese Architektur vermag es gerade in diesen Ländern eine „Vision von Fortschritt“ zu signalisieren. So entstehen durch die Architektur scheinbar schöne Bilder. Die Symbolik steht im Vordergrund. Die Auftraggeber bekommen was sie bestellen.

Es wird eine Zukunft aufgezeigt, die allerdings oft diametral zur lokalen gesellschaftlichen Wirklichkeit steht. Jedoch müssen die Akteure erkennen, dass die Umsetzung dieser Vorzeigearchitektur nicht selten begleitet wird von örtlichen unsäglichen Arbeitsbedingungen, von Entbehrungen manchmal einer ganzen Gesellschaft (besonders in den ärmsten Ländern), um sich diese Monumente, für wen auch immer, leisten zu können.

In diesen Ländern findet das traditionelle Berufsbild des Architekten bei seinen Auftraggebern noch eine positive Akzeptanz; dem singulären oft machtbeflissenen „Bauherrn“, dem der Architekt dient, – ein beliebiges entleertes Zeichen -, zu erstellen. Sozioökonomische und kulturelle Randbedingungen sind unerwünscht, nicht gefragt.

Promiente Beispiele, – gedacht zum Machterhalt
Sotschi, die ersten Winterspiele in Russland, die in einer südtropischen Stadt ausgetragen wurden. Mindestens 30 Mrd. US $ sind dort versickert, jeder Sitzplatz kostete mehr als 19.000 US $. Bauauftragsvergabe ohne Ausschreibung u.d.g.l.m.

Zur Machtvermehrung und Ansehen.
Burj Khalifa arabisch übersetzt Burg Kalifa. Unglaubliche 4 Jahre Bauzeit. Bis zur Spitze 829,8 m ca.1,0 Mrd. US $ Baukosten!

Brasilien, Olympischen Spiele währen das Land im Umfeld im Chaos versank.

Und hier in Deutschland?
Ganz anders in Deutschland. Es hat sich in den letzten Jahren ein sehr viel höherer Widerstand in der Bevölkerung bei spektakulären Großprojekten entwickelt.

Es führte dazu, dass sich Star-Architekten mit ihren traditionellen Deutungsbildern und kulturellen Wertvorstellungen auf dem Pfad einer Entmündigung befinden.

In Deutschland oder anders, insbesondere in Westeuropa, ist der Architekt in seiner Schaffenskraft stark durch Bauvorschriften und bürokratische Hemmnisse begrenzt und nicht zuletzt durch Bürgerinitiativen, die seinem freiem Schaffensdrang Einhalt gebieten. Öffentliche Bauaufträge sind einer Vielzahl von Zwängen unterworfen. Ohne Zweifel bietet unsere demokratische Gesellschaftskultur, ein wichtiges Regulativ.

Frei nach dem Motto von Dieter Hildebrand: Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.

Citizen Power, Bürgerbeteiligung
Erlauben Sie mir einen kleinen Exkurs zu dem Thema Bürgerbeteiligung. Gerade in Berlin hat sich die Kreativwirtschaft, die eng mit einer Bürgerbeteiligung manchmal zusammenwirkt diesem Thema in besonderer Form angenommen. Welche Sprengkraft aktive Bürgerbeteiligungen besitzen, können wir sehr gut bei Megaprojekten erkennen. Bürger haben begonnen sich zu empören und sind nicht mehr bereit, durch Kapital und Politik gestützte Projekte zu akzeptieren. Ganz anders als bei den vorhergenannten Beispielen.

Wir haben nicht zuletzt auch erkennen müssen, dass gerade diese Megaprojekte häufig von Korruption und Missmanagement begleitet sind. Die in der Politik und Wirtschaft damit einhergehenden Enthüllungen und die Tragweite der Skandale hat vielfach ein unerträgliches Maß für viele Bürger erreicht. Bürgerbeteiligungen sind heute sehr viel einfacher durch socialmedia Plattformen zu organisieren. Zum Glück wird schnell vergessen und der Missstandes kann wieder von vorne losgehen.

Vertreter der parlamentarischen #Demokratie haben dies längst erkannt und geben aus Angst Stück für Stück Hoheitsrechte ab. Ihnen fehlt oft der Mut sich zu positionieren. Es ist sogar eher Resignation und Rückzug erkennbar. Politiker und staatliche Organe beginnen sich unmerklich zurückzuziehen. Wobei Planer und Architekten in dieser Situation zum Beobachter dieses Prozesses geworden sind. Welche Rolle spielen hierbei die Kammern und Verbände? Warum melden sie sich nicht nachdrücklicher zu Wort?

Es findet ein ungeregelter Transformationsprozess statt. Dem engagierten Bürger fehlt die Legitimation. Dem Parlamentarier wird immer weniger Glaubwürdigkeit attestiert. Beide Seiten: Der empörte Bürger und der gewählte Parlamentarier verlassen ihre ursprüngliche Rolle. Vertreter der Bürgerinitiativen zeichnen sich durch ein hohes, teilweise überzogenes Selbstbewusstsein, große Redegewandtheit aus, und neigen aus der Position der Defensive eher dazu zu überzeichnen, als realistische Lösungen anzubieten. Sie tragen letztlich auch keine Verantwortung. Nicht selten werden von den Bürgern abstruse Konzepte favorisiert.

Parallel dazu erreichen Splitterparteien ohne echte Ziele und Konzepte traumhafte Zustimmungsquoten. Allen mag der Konsens etwas Gutes für das Gemeinwohl tun zu wollen, zu Grunde liegen, doch was wir unter Gemeinwohl verstehen, ist oft sehr divergent. Insbesondere bei Projekten, bei denen eine große soziale und wirtschaftliche Spannung an Ungleichheit spürbar ist.

Oft wird damit argumentiert im Namen für das „Gute“, das zu Bewahrende, dass Nachhaltige, das Richtige, das sozial Gerechte, dass die Allgemeinheit hinter sich wissende, zu kämpfen. Doch findet dieses meist nur bei prominenten Baustellen statt. Es beschränkt sich ausschließlich auf diese spektakulären Projekte. Sie haben mehr Außenwirkung. Doch Verantwortung übernehmen heißt, für alles haften zu müssen.

These: Dennoch ist dieser Protest wichtig, denn ohne diesen Widerstand gibt es keinen gesunden Paradigmenwechsel. Er ist das Salz in der Suppe der Gesellschaft. Es ist unsere Zukunft. Das Bewahren von Gewaltlosigkeit bleibt dabei unsere Hoffnung und Versicherung für die Zukunft. Bleibt sie erhalten, ist es ein wundervoller Motor für eine Veränderung.

Hieran schließt sich die Frage, welche Rolle spielen in diesem Prozess der zunehmenden Bürgerbeteiligung Architekten und wie sind sie auf diese Veränderungen vorbereitet? In welchem schwierigen Spannungsfeld, zwischen Auftraggebern und seinen Nutzern, für die sie planen und bauen, befinden sie sich damit?

Das Einmalige an der Architektur ist, und damit unterscheidet sie sich von vielen anderen produktschaffenden Dienstleistungen, dass sie wohl all gegenwärtig ist und wir uns ihr nicht entziehen können. Wie bei kaum einem anderen Produkt bestimmt sie unser tägliches Leben, sie umgibt uns im wahrsten Sinne, sie umhüllt uns. Wir leben in ihr und mit ihr. Wir durchschreiten sie und damit prägt sie unsere tägliche Stimmung. Architektur ist ein phantastisches Instrument, um mit unseren Sinnen zu spielen.

Sie ist von ihrem künstlerischen Anspruch gleichbedeutend wie Musik, Literatur oder Malerei. Sie verleiht unserem Lebensumfeld Qualität und sollte letztlich in der Gesellschaft ein wichtiges Anliegen sein. Diese Eigenschaften der Architektur haben Diktatoren und Despoten immer erkannt und sich dieses verführerische Momentum der Architektursprache in den Gesellschaften zu Eigen gemacht.

Lassen sie uns eine sehr provokante These diskutieren. – Da die Entwicklungsprozesse hochkomplexer Gebäudeeinheiten immer aufwändiger geworden sind, sei folgende These erlaubt: Die Planungsarbeit des Architekten ist heute eher eine im Entwurfsprozess auftauchende, sich im Team entwickelnde Tätigkeit. Das bedeutet, es gibt keinen Planer mehr, der alle Tätigkeitsfelder, wie in dem alten Rollenverständnis des Architekten folgend, durchführt. Heute sollte die Ausbildung des Architekten jedoch wieder seine Verantwortung lehren, den gesamten Lebenszyklus seines Produktes zu beachten, um die Qualität dadurch erheblich zu verbessern? Somit könnte auch eine ökonomische Optimierung des Produktes erreicht werden? Höchstwahrscheinlich würden die Gesamtkosten für das Produkt über den Lebenszyklus minimiert. Nun, die ökonomische und umweltadäquate Betrachtung ist eine Seite. Würde damit die Individualität des kreativen Geistes auf der Strecke bleiben? Würde die Komposition von „Qualitätsarchitektur“ beeinträchtigt?

Zwar könnten Betriebs- und Wartungskosten für den Gesamtzyklus optimiert werden, aber verliert das Produkt nicht auf der anderen Seite seine Unverwechselbarkeit? Wir kennen diese Diskussion aus der Automobilindustrie seit den ersten Windkanaltests, um optimale CW- Werte zu erreichen. Die Ähnlichkeit des Fahrzeugdesigns hat damit sicherlich zugenommen. Heute ist es beim Konsumenten in der Autoindustrie kein Thema mehr. Wenn wir der Tatsache ins Auge sehen, dass bestimmte Megaprojekte heute nicht mehr optimal geplant und realisiert werden, sollten wir uns neue Entwicklungsmethoden überlegen. Vieles könnten wir in der Architekturausbildung aus der Industrie lernen.

Brauchen wir ein erweitertes Planungsverständnis, eine neue Rolle des Architekten?
Was ist heute die Aufgabe des Architekten im Planungsprozess? Zunächst Grundlagenermittlung. Hierzu zählen vorgeschaltete Maßnahmen und Überlegungen, insbesondere Gespräche mit dem Auftraggeber. Die HOAI erwähnt als sog. Grundleistungen beispielsweise: „Klären der Aufgabenstellung, beraten zum gesamten Leistungsbedarf“ und als besondere Leistungen „Bestandsaufnahme, Standortanalyse.

Über den rein technischen Sachverhalten hinaus besteht die Aufgabe, die Planung in ihrer sozialen und ökonomischen Tragweite zu verstehen und in Form einer geeigneten Kommunikation, die unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen der Beteiligten einschätzen zu können, um ein sozial verträgliches wie ökonomisch optimales Produkt zu formen.

Fassen wir noch einmal zusammen. Das Berufsbild des Architekten hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte erheblich verändert. Brauchen wir in der Ausbildung eine erweiterte Lehre um ökonomische und soziale Aspekte? Wenn wir dem Architekten eine führende Rolle in diesem Prozess zu sprechen wollen, muss er in der Lage sein die Breite dieses Aufgabenfeldes abzudecken, zumindest zu moderieren.

Nur wer Ansprüche stellt, dem werden sie auch erfüllt. Wohl finden kostenminimierende Maßnahmen Eingang in jeden Bauprozess, doch beziehen sie sich häufig ausschließlich auf die technisch- ökonomische Erstellung des Gebäudes. These: Der traditionelle Architekt schafft sich damit ein zu enges Korsett, dass es ihm nicht erlaubt, am gesamten Entwicklungsprozess angemessen am ganzen Prozess Teilhabe zu nehmen. Um wieder Kompetenz zurückzugewinnen, sollte der Architekt während des gesamten Prozessablaufes in der Lage sein, sein Produkt beurteilen zu können. Diese Aussage darf es nicht mehr geben, wir lassen ihn, den Architekten, nur die Fassade machen, den Rest übernehmen wir. Er muss die Rentabilität seines Produktes im Lebenszyklus bestimmen können, um anerkennendes Gehör im Investmentprozess zu finden.

Vielleicht können wir auch sagen, dass es deshalb für den traditionellen Architekten in vorwiegend nicht demokratischen Gesellschaftsstrukturen, es sehr viel einfacher ist, seine aufwendigen architektonischen Ansprüche zu realisieren, als dies für ihn in den hoch entwickelten industrialisierten Gesellschaften möglich ist, wo er neben erheblichen gesetzlichen Beschränkungen in jüngster Zeit auf wachsende Bürgerbeteiligungen stößt, die nicht unisono bereit sind, seine Vorstellungen von qualitativ hochwertiger Architektur in Gänze zu akzeptieren und beginnen viele Konzepte zu hinterfragen. Hierin zeigt sich nach meiner Auffassung auch eine neue Aufgabe in der Architektenausbildung.

Die Frage, die sich für jeden Architekten stellen sollte, wo befindet er sich im Wertschöpfungsprozess? Nimmt er nur eine dienende Funktion ein? Wer nicht einmal den Anfang der Wertschöpfungskette kennt und beurteilen kann, hat kaum eine Chance, Einfluss auf diese gesamte Kette zu nehmen. Deshalb erscheint es mir außerordentlich wichtig, dass sich Architekten, die zweifellos die höchste Kompetenz von allen Beteiligten am Bauprozess besitzen, sich ebenso mit sozioökonomischen Kriterien eines Immobilien Investments auseinandersetzen können. Hierdurch können Sie sich Gehör verschaffen, Ansehen erwerben und einen positiven Beitrag zur allgemeinen Wertschöpfung leisten.

Dies setzt voraus, dass Architekten sich mit den ökonomischen Fragestellungen Ihres Schaffens im Gesamtprozess viel stärker als bisher auseinandersetzen und dies weit über die Beurteilung von Fragen des Baustandards, von Qualität und deren Kosten. Die oft vorhandene Scheu sich am Anfang mit diesen ökonomischen Fragestellungen zu befassen, ist für meine Begriffe vielfach unbegründet. Auch die Argumentation vieler Architekten sich mit diesen Themen nicht auseinanderzusetzen, da es gegen das Berufsethos verstößt, greift viel zu kurz. Denn auf der anderen Seite sind Architekten gerne bereit für Diktaturen Projekte in höchster Reinkultur zu planen und sich damit zu zieren. Auch hier korrumpiert Geld und Geltungsdrang den Architekten nicht minder zu seinen kaufmännisch orientieren Partnern.

Wer diesen Prozess steuern möchte und Verantwortung übernehmen will, muss bereit sein, am Anfang der Wertschöpfungskette sein Wort zu erheben, seine Kompetenz einzubringen, um auf diesen mit einzuwirken und damit im gesamten Prozess wieder an Qualität zurückzugewinnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade Architekten einen hervorragenden Beitrag in diesem Gesamtprozess leisten könnten, da es für Sie sehr viel einfacher ist, zusätzlich zu den technischen wie künstlerischen Voraussetzungen, ökonomische Notwendigkeiten dazu zu erlernen, ohnedem kein optimaler Planungsprozess mehr denkbar wäre.

Nur so können sie sich im Real Estate Investment Market Gehör verschaffen und ihre heute vielfach einstige Reputation und Achtung wieder zurückgewinnen, denn Sie sind diejenigen, die den Gesamtprozess von Ihrer Ausbildung her in der Lage wären, am ehesten zu durchleuchten.

Autor: DR. BRÜGGEMANN GMBH

Die Brüggemann GmbH ist seit 1996 erfolgreich als Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft im gewerblichen Real-Estate- und im Corporate-Sektor tätig. Ihre Partner/innen verfügen über einen breiten Erfahrungsschatz.

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