Identität: Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet

In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der demokratischen Staaten weltweit erschreckend schnell zurückgegangen. Erleben wir gerade das Ende der liberalen #Demokratie? Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, Autor des Weltbestsellers Das Ende der Geschichte, sucht in seinem neuen Buch nach den Gründen, warum sich immer mehr Menschen antidemokratischen Strömungen zuwenden und den Liberalismus ablehnen. Er zeigt, warum die Politik der Stunde geprägt ist von Nationalismus und Wut, welche Rolle linke und rechte Parteien bei dieser Entwicklung spielen, und was wir tun können, um unsere gesellschaftliche Identität und damit die liberale Demokratie wieder zu beleben.

EINE REISE INS UNGEWISSE

ERSTER ABSCHNTT

Déjà-vu
Betrachtet man die Signale aus den USA auf dem aktuellen Immobilienmarkt, dann möchte man es kaum glauben. Wieder einmal steht eine Immobilienblase kurz vor dem Platzen und wir erinnern uns ungern an die Zeit vor genau zehn Jahren zurück. Das Wendejahr ist noch vielen von uns in Erinnerung geblieben.

Doch heute haben wir eine ganz andere Situation. Die politischen Verhältnisse sind dramatisch instabiler geworden. Die Länder im Süden Europas kämpfen immer noch mit den Folgen der zurückliegen Krise und werden diese kurzfristig nicht überwinden können. Arbeitslosigkeit und „Non Perfoming Loans“ in nennenswerter Größenordnung sind noch nicht abgebaut.

Die Regierungen in der EU haben in den zurückliegenden zehn Jahren dramatische Zeiten durchlaufen. Wir haben noch gut die lautstarken Demonstrationen in Athen und die langen Nachtsitzungen in Brüssel vor Augen, ebenso das Aufkeimen nationaler „Bewegungen“ in vielen EU Ländern.

In welchem Umfeld würde heute eine neue Krise entstehen? Welche Phasen der Veränderung haben wir in den letzten zehn Jahren durchlaufen?

Ein ERSTER ABSCHNITT in fünf Phasen.

Eine neue Art zu diskutieren

Erste Phase
Wie vielen von uns fällt es mir nicht schwer, die gravierenden Veränderungen in der Weltpolitik aufzuzählen. Der Verlust an Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit ist das wohl gravierendste Momentum.

Politisch langjährig erfahrenen Akteure, besonders diejenigen, die sich beruflich seit langem mit europapolitischen Fragen befassen, lassen heute deutlich Ratlosigkeit, wenn nicht sogar emotionale Betroffenheit erkennen. Die Jungen dagegen sind eher erstaunt und registrieren sehr wohl die gesellschaftspolitischen Veränderungen. Sie können diese emotional oft nicht in ihrer ganzen Wirkung begreifen, obwohl sie die Entwicklung gut verstehen und analysieren. Der Schock kam bei vielen jungen Briten erst nach der Brexit-Wahl. Verantwortung muss man auch spüren bevor es zu spät ist.

Bei den Einen entsteht ein unangenehmes Bauchgefühl, eine Vorahnung über eine düstere Zukunft, eines neuen Weges und diese Vorahnung gilt bei vielen von uns umso mehr, wie wir uns damit auseinandersetzen.

Was wäre, wenn es „Krieg“ gäbe, ist zu einer ehrlich gemeinten Frage geworden, und löst ganz ungewohnte Reaktionen bei der Nachkriegsgeneration hervor. Die Älteren dagegen beschwichtigen eher. Sie wollen sich damit nicht mehr befassen und halten an Ihrem Nachkriegswerk einer „geschenkten #Demokratie“ fest. Wohl wahr, Sie haben unsere Demokratie nach der bitteren Zäsur unserer jüngsten deutschen Geschichte zweifelsfrei gestaltet und geprägt.

Bei unserer aktuellen Debatte in Europa sind wir dort angekommen, wo es heißt: Militärausgaben verdoppeln oder sogar verdreifachen. Dies gilt besonders für Deutschland. So hat die Nato auch mehr Entscheidungen im letzten Jahr getroffen, als in den 10 Jahren zuvor, sagt zumindest die europäische „Außenministerin“ Mogarini. Und der amerikanische Oberbefehlshaber verschickt Mahnbescheide, um diesen Prozess noch zu befeuern bis hin zum Infragestellen des Artikel 5 der Nato, dem Bündnisfall und fragt, gilt dies auch für Montenegro? Also ab wann greift noch die atomare Abschreckung. Was soll alles preisgegeben werden und ab wann glaubt man selbst betroffen zu sein?

Die Sanktionen, die in Russland bereits zu Lohn,- und Rentenkürzungen führten, beginnen den russischen Lebensstandard nachhaltig einzugrenzen und heizen den Prozess an. Wir können unweigerlich eine Reaktion erwarten. Eine unterschwellig wachsende Unzufriedenheit macht sich in Russland breit. Die Suche nach dem starken Zeichen einer stolzen und machtvollen Antwort dieser Nation wächst – aber gegenüber wem? Wird sich diese starke Antwort eher nach innen oder doch eher nach außen orientieren? Wir wissen es noch nicht.

Blicken wir in unserer vernetzten Welt nach Asien. Alte amerikanische wirtschaftlich hegemoniale Ansprüche flankiert durch militärischen Präsenz, die jedoch gegenüber China (erste hochmoderne Flugzeugträger) schwindet, konterkariert diese ehemalige unangefochtene Vormachtstellung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Auf dem anderen großen fast vergessenen Kontinent, in Nordafrika, der seit 2015, für jeden erkennbar seine Teilhabe am westlichen Wohlstand zu Fuß einfordert, ist ein weiterer Schauplatz gravierender Veränderung entstanden. Es wird nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa über Jahrzehnte beschäftigen, ganz zu schweigen von den nicht endenden kriegerischen Auseinandersetzungen, die durch religiöse Glaubensdogmen die Konflikte noch verschärfen.

Als Zielland der Migration ist ganz Europa herausgefordert. Eine in Europa wachsende Mehrheit von Menschen, die sich von althergebrachter Politik in ihren Ländern abwendet und heute keinen Diskurs mehr duldet und lautstark nach Taten ruft, beginnt, forciert durch den Wandel zu Künstlicher Intelligenz (KI), die politischen Realitäten neu zu definieren. All dieses geschieht nicht mehr nur in der Produktion, sondern bei neuen KI-Dienstleistungen auf allen wirtschaftlichen Feldern. Dies sind unsere aktuellen globalen Herausforderungen in einer darauf verunsicherten nach Antworten suchenden europäischen Politik. Alles getrieben vor dem Hintergrund wirklich revolutionärer technologischer Umwälzungen, wie wir sie seit der ersten Chiptechnologie nicht mehr erlebt haben. Es wird zu gewaltigen Arbeitsplatzveränderungen führen, auch wenn dieses zunächst bestritten wird. Die Politik versucht Skeptiker des uns bevorstehenden Paradigmenwechsels zu beschwichtigen. Und dies umso mehr, wenn sie von 70- jährigen Politikern verantwortet wird. Es reicht bis hin zur Leugnung eines Klimawandels. Es ist immer weniger an Innovationsgeist in der aktuellen Politik zu erkennen. Es gleicht eher einem Nacharbeiten, einem von den Ereignissen getriebenem Handeln.

Dagegen sehen wir höchst innovative KI-Anwendungen, neue Anwendungsarten in der Robotik bis hin zu „eingehauchter emotionaler Empathie“ in die neuen KI-Systeme. Sie werden unser Leben zukünftig begleiten. Aber mit der KI werden leider auch neue Formen effizienter First Strike Cyberkriegsführungsstrategien zu erwarten sein, sowie Beeinflussungen gesellschaftlicher Meinungen durch Fake News, begleitet durch ein ungebremstes Sammeln von Daten. Bereits heute fühlen sich viele überfordert, denn Sie ahnen und befürchten vor allem den Verlust ihrer klassischen Arbeitsplätze.

Es kommt zu einem gravierenden Bedeutungswandel der Wertschätzung gegenüber dem Faktor Arbeit. Dieses wird und ist heute schon das ideale Futter und Treibriemen für die selbsternannten „Experten“ mit den schnellen und einfachen Antworten. Kommen nun noch die drastischen Umweltveränderungen hinzu, die der Ungläubigste unter uns kaum mehr wagt zu leugnen, dann wissen wir: Lange wird es so nicht mehr weiter gehen können.

Aber wie kann es weitergehen?

Zweite Phase
Auch die nächste Phase kennen wir schon. Genauso wie wir den bis hierhin zurückgelegten Reiseweg bereits kannten. Wir müssen nur etwas tiefer in unserem Gedächtnis graben.

Die typischen Themen, um einen erfolgreichen „Paradigmenwechsel“ anzustoßen, werden bearbeitet ohne hier alles aufzuzählen, denn wir kennen es aus dem Entsetzen beim Lesen der täglichen News. Ungeschminkt werden wir damit konfrontiert. Der Paradigmenwechsel wird eingeleitet und verfestigt durch Justizreformen, politisch motivierte Personalpolitik, ein Einschränken und Umlenken der Pressefreiheit, oder durch Verfassungsergänzung, durch neue Kultur- und insbesondere Geschichtsinterpretationen.

Diese Schaltstellen sind dem aufmerksamen Beobachter bekannt. Sie werden fast gleich universell auf dem Globus angewendet. Es ist das Einleiten eines machtvollen gesellschaftspolitischen Wechsels, der schnell und geräuschlos erfolgen soll. In jedem Fall am Ende aber um Zustimmung kämpfen muss. Er wird begleitet von Zugeständnissen und Versprechungen an ihr Wählerklientel.

Doch die Kosten dieser Zugeständnisse und Versprechungen liegen in der Zukunft, sie müssen bezahlt werden. Zum „Glück“ der selbstherrlichen Autokraten gibt es dafür Kredite mit extrem langen Laufzeiten, die in die nächste Generation hineinreichen und erst der nachfolgenden Generation die Last ihrer Taten aufbürdet. Entschieden ist das stille Umschichten von Vermögenswerten. Eine globale Steuerreform ist dabei ein passables Instrument.

Ist dies erreicht, so kann die dritte Phase folgen.

Setzen wir unsere Reiseroute fort.

Dritte Phase
Jeder ist sich jetzt selbst der Nächste. Doch das stimmt nur eingeschränkt, denn es gilt nicht für Alle. Zwischen Gleichgesinnten werden Allianzen gebildet. Also jeder, der ähnlich der neuen Ideologie entsprechend denkt, handelt und Gemeinsamkeit signalisiert, ist eingeladen, eine neue starke nationale Einheit zu schaffen. Die sich neu formende „Nation“ tritt nun mit Kraft und Stolz der Öffentlichkeit gegenüber an. Sie offeriert Jedem ihre neue Identität.

Das Wir-Gefühl unter den Gleichgesinnten wird mit der Zeit nachhaltiger, selbstbewusster und stärker. Anfänge dazu konnte man bereits in der vorherigen Phase erkennen. Fast gleichzeitig, zunächst zaghaft, beginnt der Prozess der Veränderung auch an anderen Orten in Europa. Ein Prozess der „Abgrenzung“.

Eine Bereitschaft zur Solidarität gegenüber Schwächeren, Anderen, Andersartigen, in jeder Form, schafft eine imaginäre strikte „Staatsgrenze (-räson)“, die, fast bildlich gesprochen, nicht mehr überschritten werden darf. Wer sich so in seinem Umfeld positioniert, definiert gerne die Anderen als Außenseiter. Also dem Wir-Gefühl steht das „Die der Anderen“ gegenüber. Dem neu formulierten Slogan des „First“ folgt die Erkenntnis des „Alone“, – die Lager formieren sich.

Ebenso führt kein Weg daran vorbei, dass alle Volkswirtschaften, auch wenn sie noch signifikante Wachstumsraten vorweisen, in der Zukunft degressive Wachstumsraten aufweisen werden. Paradox, aber wenn man darüber nachdenkt, verständlich. Äthiopien hat die größten Wachstumsraten, auch China verzeichnet heute noch hohe Wachstumsraten. Aber sie alle sinken mit wachsendem Wohlstand ebenso. Je mehr sich Nationen einem höheren Wohlstand annähern, umso geringer ist die Rate des Wachstums. Halten wir für einen Moment inne und lassen diese skizzierten Veränderungen auf uns wirken, dann kommen wir vielleicht zu dem Ergebnis: So wie es jetzt läuft, wird es nicht weitergehen können. Wird es vielleicht einen „Relaunch-Knopf“ geben, der alles auf eine neue niedrigere Ausgangsposition zurückführt?

Doch um diesen, Allerwahrscheinlichkeit nach nur einmal drückbaren „Relaunch-Knopf“ zu betätigen, muss es weitere Voraussetzungen geben. Oder wird es uns gelingen, Schritt für Schritt Lösungen zu finden, um eine stückweise Verbesserung der Lebenssituation einleiten zu können? Auch wenn diese Verbesserungen nur langsam und mühsam zu erarbeiten sind. Deshalb bräuchten wir den Diskurs von Solidarität und Rücksicht dem anderen Gegenüber, im Bewusstsein damit eine bessere Zukunft zu schaffen.

Die Posten sind bereits vergeben.

Vierte Phase
Wahrscheinlich werden wir kaum die Kraft haben, eingefahrene Gleise zu verlassen, denn das Alltägliche bindet alle unsere Ressourcen. Bleibt da noch Zeit für Solidarität oder um einen Ausgleich über die Ressourcen zu kämpfen?

Fest steht, dass wir zunächst unseren Militäretat aufstocken werden. Die Argumente leuchten ein und überzeugen in beiden Lagern. Eine Umsetzung ist in Teilen bereits angestoßen. Dazu gehört auch mehr Autonomie in der Verteidigung und mehr Eigenständigkeit bei den „Diensten“. Bis zur finalen Phase ist allerdings zunächst ein weiterer Zwischenschritt zu absolvieren. Zum Paradigmenwechsel durch eine neue politische Gesellschaftsordnung getragen durch Künstliche Intelligenz:

Stopp. Halten wir noch einmal inne. Natürlich muss es nicht so weitergehen:

Wir haben immer die Chance und zwar zu jedem Zeitpunkt, den eingeschlagen Weg zu verlassen. Wir können die durch die Technik uns überlassene höhere Produktivität erstmals sinnvoll nutzen, mit dieser neu gewonnen „Freiheit von Arbeit zum Lebenserwerb“, unsere Energien für andere Dinge als dem Gelderwerb zu nutzen. Wir könnten nach dem Sinn unseres Zusammenlebens forschen und uns für eine humanere Gesellschaft einsetzen.

Bleiben wir aber auf dem eingeschlagenen Pfad, was werden dann die weiteren Schritte sein? Der Paradigmenwechsel wird trotzdem weiter voranschreiten.

Dazu gehört auch der permanente und zügige Austausch in den Leitungsfunktionen in allen bedeutenden politischen wie wirtschaftlichen Bereichen. Es werden neue Köpfe in fast allen Bereichen von Politik, Wirtschaft, Justiz und Kultur inthronisiert, die diesen politisch gesellschaftlichen Paradigmenwechsel mit starker Kraft vorantreiben.

Dabei wird nicht selten über die Qualifikation des „neuen Leiters“ hinweggesehen. Diese neu inthronisierten Entscheidungsträger werden es mit Loyalität danken. Auf den politischen Machtebenen muss zeitgleich das Wählerpotential bedient werden. Es gilt Geschenke zu verteilen –  in welcher Form auch immer, Steuererleichterungen, besondere Vergünstigungen und Ähnliches, gezielt auf die eigene Zielgruppe/Wählerklientel zugeschnitten.

Das neue System beginnt an Boden zugewinnen. An Zuspruch bei breiteren Massen. Selbstbewusstsein keimt auf und verfestigt sich. Das Wir-Gefühl wird durch eine konkrete Feindbildung verstärkt. Dabei ist es nicht relevant, ob es in irgendeiner Form auch nur annähernd der Wirklichkeit entspricht.

Wirklichkeit beginnt sich zu verklären. So wird gleichsam eine neue Fiktion geschaffen und als wahrheitsgetreue Realität empfunden. Jetzt ist es fast geschafft. Neue Positionen, neues Ansehen und Achtung der Anderen, auch wenn es nicht selten weniger Achtung als Angst ist. Doch Achtung auf Dauer allein reicht Niemandem. Wer eine scheinbar unantastbare Position ausübt, verfällt sehr viele schneller der Versuchung, sich zu bereichern.

Es beginnt mit den kleinen Gesten des Kameradschaftsbeweises. Letztlich endet es mit der Bereicherung aller erdenklichen dinglichen Güter des Globus. Beispiele sind in vielen nationalen Geschichtsanalysen nachlesbar und zeigen, welch ungezügeltes Ausmaß es annehmen kann. All dieses schafft Frustration und Verärgerung bei Vielen und der allgemeine Unwillen in der Gesellschaft wächst. Wie lange dieser Zustand anhalten kann ist ungewiss. Jahre oder gar mehrere Jahrzehnte sind keine Seltenheit. Vielleicht lässt sich sagen, je reifer eine Gesellschaft ist, desto kürzer wird es dauern. Wenn heute die in der Politik verantwortlichen nicht rechtzeitig dem entgegensteuern und durch ihre Angst vor dem Wähler in Lethargie verfallen, kann es schnell zu spät sein, um es noch abzuwenden.

Zunehmende Motivationslosigkeit in der Bevölkerung, sich breitmachende Ineffizienz haben zur Folge, dass, um das System aufrechtzuerhalten, die sozialen Kosten immer schwerer aufzubringen sind und vor allem immer schwerer zu verschleiern sind. Was folgt, langlaufende Kredite über gut drei Jahrzehnte und mehr abgeschlossen, kaschieren vieles, sind aber gegenüber dem aufmerksamen Bürger nicht mehr zu argumentieren. Es muss etwas Größeres, eine große Herausforderung her, damit die Nation als Ganzes gefordert ist. Es soll die Reihen wieder schließen. Es wird Zeit für eine nächste Phase.

Nimmt das Unvermeidliche seinen Lauf?

Fünfte Phase
Wenn das Unbequeme in der Bevölkerung zu Unmut führt, brauchen wir ein paralleles Thema, das ablenkt und das Gemeinschaftsgefühl der Mehrheit stärken kann. Wir brauchen zum Beispiel einen Feind von außen. Eine Bedrohung, sei sie real oder nicht, hinter der sich alle vereinen mögen. Sie soll der neuen Elite Rückhalt verschaffen. Mit dieser Bedrohung von außen lässt sich vieles vorrübergehend erklären. Kürzen der Renten. Anheben des Militäretats. Einschränken vieler Sozialleistung, und letztlich vielleicht auch eine Erklärung dafür, warum die Währung im Vergleich zu den Anderen so extrem, so schnell fällt.

Die Frage wird sein, wie soll man mit dem neuen externen Feind umgehen. Verdammen, beschimpfen, Fake News lancieren, oder gar einen militärisch begrenzten Angriff wagen? Es hängt alles von dem sich parallel dazu aufbauenden internen Gegner ab.

Ist der aus dem Nichts kommende interne Gegner noch zu bändigen oder muss er ggf. ins Abseits geschoben werden. Etabliert sich erst einmal eine neue Rechte oder neue Linke Formation, wobei diese Begriffe in unserer heutigen Zeit seine ursprüngliche Bedeutung weitgehend verloren haben, dann wird es schwer, die davon betroffenen selbstverständlichen Rechte und Werte wie  Gleichheit vor dem Gesetz, Unabhängigkeit, Solidarität einzufordern.

Die Organisationen der Finanzwirtschaft haben sich von der Wirtschaft losgelöst und haben die Funktion einer Triebfeder übernommen. Sie bestimmen viele Tendenzen. Nimmt der Schulterschluss zwischen Politik und Finanzwirtschaft zu, dann entwickelt sich eine mächtige Lobby, die die Geschicke der Gesellschaft massiv lenkt und beschneidet.

Ende erster Abschnitt.

Bürgerproteste versus Parlamentarier

Unsere parlamentarische #Demokratie ist gereift als repräsentative Regierungsform nach den bitteren Erfahrungen der Weimarer Republik. Fast nach 70 Jahre geübter Demokratie bekommt sie Risse. Bürger beginnen sich zu „empören“.

Einst verborgenes Herrschaftswissen wurde durch die neuen Informationstechnologien aufgebrochen. Kriminelle Energien, Machenschaften, Korruption auf allen Ebenen bleiben nicht mehr in dem Maße verborgen wie zuvor. In Politik, Wirtschaft und internationaler Finanzwelt haben die Enthüllungen bis zu einem unerträglichen Maß zu Skandalen geführt, die von vielen Bürgern nicht mehr kommentarlos ertragen werden können.

Der bisher uns überwölbende moralische Verhaltenskodex beginnt auseinanderzubrechen. Bürger vielerorts spüren dies.

Die Bürger sind heute, mit Hilfe der „Social Media Instrumente“ sehr schnell, kostengünstig und effizient zu mobilisieren. Welche Sprengkraft Sie besitzen, haben wir im Nahen Osten vor Augen geführt bekommen. Vertreter der parlamentarischen Demokratie haben dies erkannt und geben aus Angst Stück für Stück Hoheitsrechte ab, indem zu bestimmten Themen Volksentscheide von Bürgerinitiativen erzwungen oder rechtzeitig von den Regierungen eingeführt werden.

Der Politik fällt es immer schwerer, sich mit Mut klar zu positionieren und zu Ihrer Haltung und Einstellung zu stehen. Einstehen für etwas ist zur Zeit nicht „in“. Keiner kann es ertragen, nicht mehrheitsfähig zu sein – er ist dann nicht cool oder wählfähig.

Neu zeigen sich diese Verhaltensmuster als Schwäche mit Resignation und Rückzug. Ein Widerstand gegen diese Empörung ist nicht zu sehen. Beide Seiten, der empörte Bürger und der gewählte Parlamentarier einschließlich der Rechtsorgane, verlassen ihre ursprüngliche „Rolle“. Politiker und staatliche Organe beginnen sich unmerklich zurückzuziehen.

Es findet ein ungeregelter Transformationsprozess statt. Dem engagierten empörten Bürger fehlt es an Legitimation. Dem Parlamentarier wird immer weniger Glaubwürdigkeit attestiert.

Die Folge ist ein Mangel an Leidenschaft, an persönlichem Einsatz für die Gemeinschaft.  Herausragende Persönlichkeiten in der Politik werden rar. Bürger die sich einbringen, zeichnen sich durch hohes, teilweise überzogenes Selbstbewusstsein, große Redegewandtheit aus und neigen aus der Position der Defensive eher dazu zu überzeichnen, Negativszenarien zu überhöhen, niemand jedoch wendet Energie auf, um realistische Lösungen zu suchen. Beide Seiten erkennen diesen Prozess, können aber die Tragweite damit einhergehender Fehlentwicklung nicht abschätzen.

Obwohl dank neuer Informationstechnologien in nie geahnter Form eine große Zahl von engagierten Bürgern kurzfristig mobilisiert werden kann, ist es immer nur eine verschwindend geringe Zahl von Ihnen, die diesen Prozess anstoßen.

Viele Bürger erteilen dagegen abstrusen Konzepten ihre Legitimation. Splitterparteien ohne Ziel und Konzept, Spaßgaukler und dergleichen mehr erzielen traumhafte Quoten der Zustimmung. Demgegenüber nimmt die Teilnahme an Wahlen rasant ab. Eine unglaubliche Apathie macht sich breit. 

Ebenso erschreckend ist eine fast ins Uferlose gefallene Allgemeinbildung, gepaart mit mangelhaftem historischem Wissen. Wäre es nicht ein notwendiges Fundament, um Verantwortung zu übernehmen? Die Verantwortung für das Gemeinwohl beginnt zu schwinden. Kurzfristiges Denken und Handeln bestimmen die Geschehnisse. Der demokratische Grundsatz, dem Allgemeinwohl zu dienen, kann nur verwirklicht werden, wenn das sich ausgleichende Kräfteverhältnis aller Beteiligten erhalten bleibt.

Der Konsens darüber, was wir als Gemeinwohl verstehen, ist nicht mehr greifbar. Sowohl der engagierte Bürger als auch der Parlamentarier haben jeweils aus Ihrem Blickwinkel getrübte Präferenzen. Sie sind Gefangener Ihrer persönlichen Interessen in einer sehr egoistisch, auf höchste Effizienz ausgelegten Zeit. Sicher bleibt, dass im Kräftefeld dieser vielen Akteure der empörte Bürger heute seine Muskeln viel effektiver spielen lässt.

Der Schlüssel zur Veränderung
Bei herausragenden Projekten kommt es zu Konflikten. Die beiden Antagonisten attestieren sich jeweils das Recht auf Ihrer Seite zu wissen. Insbesondere Projekte, bei denen eine große soziale und wirtschaftliche Spanne an Ungleichheit spürbar ist, stehen im Fokus. Je größer die Divergenzen, desto schneller und heftiger sind die Auseinandersetzungen. Dort wo Ungleichheit sichtbar ist, dort wo menschliche Einzelschicksale auftreten, dort entzündet sich die Empörung, der Widerstand am stärksten.

Es wird im Namen für das Gute, das zu Bewahrende, das Nachhaltige, das Richtige, das Sozialgerechte, das die Allgemeinheit hinter sich vereint Wissende, argumentiert. Obwohl es Unzählige nicht so prominente „Baustellen“ gebe und alle bearbeitet werden müssten, beschränkt es sich ausschließlich auf diese spektakulären Projekte.

These: Ohne diesen Widerstand gibt es aber keinen Paradigmenwechsel, er ist Salz der Gesellschaft, – es ist ihre Zukunft. Gewaltlosigkeit bleibt dabei die Hoffnung der Zukunft. Es trägt dazu bei, Hoffnung zu hegen und stolz auf das Veränderte sein zu können, insbesondere wenn bei diesen Projekten fast immer unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinandertreffen. Bleibt die Gewaltlosigkeit erhalten, ist es ein wundervoller Motor zur Veränderung.

These:Es ist dieser schmale Grat zwischen friedlichen empörten Widerstand und dem Abgleiten in Fantastereien. Nur wenn beide Seiten sich zu den überwölbenden moralischen Werten bekennen, sich als untrennbare Gemeinschaft begreifen, findet dieser friedfertige Widerstand seine Fruchtbarkeit und schafft „Neues“.

Ein Methodischer Rahmen
Dieses vorweggeschickt, fehlt es vor diesem Hintergrund an einer verbindenden, moderierenden und anerkannten neuen Methodik, berechtigtes Bürgerverlangen aufzugreifen und in verantwortlichen Bahnen einer Lösung zuzuführen.

Megaprojekte, städtebauliche Entwicklungsquartiere, stadtwirtschaftliche Entscheidungen mit Tragweite, lassen sich mit herkömmlichen Abläufen und tradierten Entscheidungsschemata nicht mehr erfolgreich umsetzen. Dies haben Alle verstanden.

Eine gleiche Augenhöhe zwischen den gewählten Vertretern und Experten auf der einen Seite und auf der Anderen, dem engagierten Bürger, ist nur scheinbar vorhanden.

Beiden fehlt es an Verantwortung, an Nachhaltigkeit, an der Bereitschaft für Ihre Fehlentscheidungen einzustehen, gar daraus zu lernen, Korrekturen einzuleiten und um eine Verbesserung zu ringen. Hinzukommt die ungemein gewachsene Komplexität, die auch bei bestem Zugriff auf sämtliche Informationen für Alle nicht immer ohne fundierte Kenntnisse zu begreifen ist, um ausgleichende zukunftssichere Entscheidungen zu treffen.

These: Daher braucht dieser Transformationsprozess, dieser sich abzeichnende Paradigmenwechsel, einen methodischen Rahmen, ein überwölbendes Grundgerüst das von Allen akzeptiert wird. Hierzu ist Offenheit, Unvoreingenommenheit und Lernbereitschaft eine notwendige Voraussetzung.

Auf der Basis einer geeigneten „Plattform“ kann ein methodisches Verfahren auf kommunaler und Länderebene eingeübt werden. Um Mitverantwortung zu tragen, braucht es den verantwortungsbereiten Bürger, weniger den Kommunikator. Letztlich bietet es allen die Chance der Zeitersparnis. Projekte können schneller, kosteneffizienter und nachhaltiger realisiert werden. Durch die Mitwirkung des engagierten, verantwortlichen Bürgers können Konflikte entschärft werden. Es hilft, die Durchsetzbarkeit zu erhöhen, und letztlich qualifiziert es das Zusammenwirken zwischen Bürger und seinem Parlament im besten Sinne.

Plebiszite helfen, akzeptierte Lösungen für komplizierte Entscheidungsprozesse zu finden. Es gibt heute für öffentlich relevante Bauprojekten eingeübte Verfahren der „Bürgerbeteiligung“. Vieles hat sich verbessert.

Doch reicht es nicht aus? Und nicht jedes Verfahren kann wie in der Schweiz mit einem Volksentscheid enden. Die Spielregeln für eine Mediation müssen vorweg geklärt sein. Alle Teilnehmer müssen sie akzeptieren. Diskussion, um der Diskussion willen, bedeutet den Misserfolg als beste Lösung zu akzeptieren.

Beispiele in der Hauptstadt Berlin lassen sich ohne Schwierigkeit viele finden. Sie reichen von einer herausragenden Einzelimmobilie bis hin zur Erschließung ganzer Quartiere. Aber müssen es immer nur die spektakulären Vorhaben sein?

Hier steigen Presse und öffentliche Aufmerksamkeit sofort ein. Aber wie viele kleine Projekte im näheren Umfeld sind es ebenso Wert, Veränderungen auch im Kleinen eine Chance zur Verbesserung zu geben. Gerade diese Projekte sind es, die ein methodisches Gerüst brauchen.

Die verlorene Rolle des Architekten – ein Mangel in der Ausbildung?

Kein leichtes Thema, aber bei unserer Arbeit im Real Estate Investment stoßen wir darauf. Investoren, insbesondere internationale Developer, müssen auf eine maximale Rendite achten. Nicht selten geraten sie dabei mit ambitionierten Architekten aneinander. Sie stoßen auf eine andere Welt der Herangehensweise, die wenig von Renditeüberlegungen geprägt ist. Der Architekt versucht sein Kunstwerk zu schützen und sein Bestes durchzusetzen. Oft wird er dabei gebremst und zu guter Letzt aus dem Development Prozess möglichst schnell wieder ausgeklammert. Die auf kurzfristiges Maximieren der Erträge ausgerichtete Investorenwelt nimmt hierauf kaum Rücksicht. Ich werde deshalb über den Verlust der gesellschaftlich anerkannten Rolle des Architekten sprechen. Architekten und Planer sollten mehr darüber nachdenken, was sie dagegen tun können. Um eine einst anerkannte Rolle als Globalplaner wieder zu erlangen, müssen wir unangenehme Fragen stellen, um die richtigen Antworten zu erhalten.

Ich möchte vorweg zunächst aufzeigen, in wie weit fast alle Lebensbereiche von der Notwendigkeit zum ökonomischen Handeln beeinflusst werden, um später diesen Mangel an ökonomischen Sachverstand in der Architekturausbildung zu spiegeln. Dieses Dilemma ist nicht zu übersehen. Eine wichtige Antwort wird es sein, ob es als sinnvoll seitens der Architektenschaft gesehen wird, sich mit diesem Thema überhaupt auseinanderzusetzen.

Ich möchte zunächst zwei Themenbereiche vorstellen, die symptomatisch für unsere Dienstleistungsgesellschaft sind. Die Rolle von „Money and Market“ in unseren Dienstleistungsgesellschaften. Die Rolle von „Citizen Power“ als Synonym bei Bürgerbeteiligungen und Aktivitäten der Kreativwirtschaft, die nachhaltig zu Veränderungen von Planungsprozessen geführt haben. So stehen heute gewerbliche immobilienwirtschaftliche Vorhaben im Spannungsfeld zwischen sozialen, ökonomischen und technischen Herausforderungen, die es gilt erfolgreich zu managen. In diesem Spannungsfeld muss sich Architektur behaupten. Hier sollten Architekten dazu Stellung nehmen und überzeugende Antworten geben können.

Am Beispiel von Megaprojekten, die in die Schlagzeilen geraten sind wurde für Viele erkennbar, dass dieser komplexe Prozess äußerst vielschichtig ist.

Wie kann den heute gestiegenen Anforderungen entgegnet werden, sodass sowohl Technik, Kunst, Kultur, Soziales und Ökonomisches seinen angemessenen Raum im Zusammenspiel erhält.

Doch zunächst drei Beispiele.

Money and market
Lassen Sie uns mit einer Frage beginnen, über die wir gemeinsam nachdenken müssen. Welche Rolle kommt Geld und Markt in unserer Gesellschaftzu? Heute gibt es sehr wenige Dinge, die man mit Geld nichtkaufen kann.

Stellen Sie sich für einige Sekunden vor, Sie würden in einem Gefängnis in Barbara Santa Monica sitzen und es wäre nicht besonders komfortabel. Dann müssen Sie wissen, dass Sie in diesem Gefängnis ein Upgrade kaufen können. Das ist wahr! Was glauben Sie, wie viel kostet dies? 500 US Dollar – … nein, es ist nicht das Waldorf Astoria, es ist ein Gefängnis; aber immerhin 82 US Dollar die Nacht.

Sie wollen zu einer Konzertpremiere gehen, müssen dafür aber in einer langen öffentlichen Schlange mehrere Stunden stehen. Da gibt es jetzt eine Lösung für Sie. Sie können extra dafür bezahlen, dass Sie vom Ende der Schlange zum Anfang der Schlange gelangen. Sie nennen es in den USA „Fast Track“. Bei vielen Veranstaltungen in Amerika zum Beispiel, Washington D.C. gibt es dieses Angebot. Manche Leute mögen nicht über eine lange Zeit in einer solchen Schlange warten, insbesondere wenn es regnet oder über Nacht, bei besonderen Veranstaltungen. Für diese Leute, die nicht warten möchten gibt es Firmen, die sich darauf spezialisiert haben. Sie können Ihnen extra Money bezahlen. Diese Firmen suchen sich „Homeless People“, die das Geld brauchen und solange in der Schlange stehen, wie es notwendig ist und kurz bevor die Veranstaltung beginnt, können Sie dann die Position am Anfang der Schlange einnehmen. Ein Beispiel für bezahltes Stehen in der Warteschlange. Sie nennen es Payed line-standing!

Was lernen wir daraus?
Es ist das Ergebnis von Marktmechanismen. Marktdenken und Marktlösungen. Es gibt kein Zweifel daran, dass diese Form der Marktmechanismen auch bei größeren Zusammenhängen Praxis findet.

Wer der Meinung ist, dass man für Geld alles haben kann, gerät leicht in den Verdacht, dass er für Geld alles zu tun bereit ist. Benjamin Franklin

Wussten Sie das, im Irak- und im Afghanistankrieg mehr private Contractors als US-Militär Trupps waren, also reguläre Soldaten. Auch wenn man in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht unbedingt wollte, dass der Krieg an private Firmen ausgelagert werden sollte, ist es doch eine Tatsache.

Realisieren Sie, was passiert?
Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, auch für das was wir nicht tun. (Molière)

Über die letzten drei Dekaden in unserer westlich orientierten Welt hat es eine stillschweigende Revolution gegeben. Wir sind hineingerutscht in eine vom Markt dominierte Gesellschaft. Vorwiegend ist die Marktökonomie das Werkzeug und dazu noch ein Wertvolles und ein Effektives, um optimale Gewinne zu organisieren. – In unseren marktbestimmten Gesellschaften ist fast alles zum Verkauf!

Marktkonformes Denken in Marktwerten beginnt fast alle Aspekte des Lebens zu dominieren. Persönliche Beziehungen, Familien, Bindungen, Gesundheit, Ausbildung, Politik, Gesetze, ziviles Leben. Eine neue Form der Reproduktion des Erfolgs.

Nun gut, Sie werden sich fragen, aber was interessiert uns das in der Architektur? Auch die Architektur ist von diesem Prozess natürlich nicht ausgeschlossen. Gerade besonders künstlerisch ambitionierte Architekten stellen dieses bei Ihrer täglichen Arbeit oft schmerzhaft fest. Kenntnisse über diese ökonomischen Marktmechanismen sind entscheidend, um die Projekte erfolgreich bis zum Ende voranzutreiben.

„Losing Power “, Eine schleichende Entmündigung des Architekten
Besonders eklatant ist die Entmündigung des Architekten bei Großprojekten wie Bahnhöfen, Flughäfen, Kulturzentren und Sportstadien erkennbar. Welche Nebenrolle der Architekt für das gesamte Development spielt, lässt sich besonders bei diesen beiden Großprojekten Hauptbahnhof in Berlin und Flughafen BER, Berlin Brandenburg erkennen.

Was folgt ist die Flucht ins Ausland.
So ist es nicht verwunderlich, dass Star-Architekten gerne im Ausland arbeiten, gleichzeitig nicht selten massiv gefördert durch die jeweiligen Regierungen um spektakuläre Projekte zu realisieren. Diese Projekte werden oft in weniger als zwei Jahren Bauzeit fertig gestellt. China ist dafür ein Paradebeispiel.

Diese dann dort importierte, – internationale, kulturell entlehnte Architektur -, ist ein Ausdruck (exportierter) Identität.

In diesen Ländern genießt der Star-Architekt ein hohes Maß an Ansehen und Vertrauen. Diese Architektur vermag es gerade in diesen Ländern eine „Vision von Fortschritt“ zu signalisieren. So entstehen durch die Architektur scheinbar schöne Bilder. Die Symbolik steht im Vordergrund. Die Auftraggeber bekommen was sie bestellen.

Es wird eine Zukunft aufgezeigt, die allerdings oft diametral zur lokalen gesellschaftlichen Wirklichkeit steht. Jedoch müssen die Akteure erkennen, dass die Umsetzung dieser Vorzeigearchitektur nicht selten begleitet wird von örtlichen unsäglichen Arbeitsbedingungen, von Entbehrungen manchmal einer ganzen Gesellschaft (besonders in den ärmsten Ländern), um sich diese Monumente, für wen auch immer, leisten zu können.

In diesen Ländern findet das traditionelle Berufsbild des Architekten bei seinen Auftraggebern noch eine positive Akzeptanz; dem singulären oft machtbeflissenen „Bauherrn“, dem der Architekt dient, – ein beliebiges entleertes Zeichen -, zu erstellen. Sozioökonomische und kulturelle Randbedingungen sind unerwünscht, nicht gefragt.

Promiente Beispiele, – gedacht zum Machterhalt
Sotschi, die ersten Winterspiele in Russland, die in einer südtropischen Stadt ausgetragen wurden. Mindestens 30 Mrd. US $ sind dort versickert, jeder Sitzplatz kostete mehr als 19.000 US $. Bauauftragsvergabe ohne Ausschreibung u.d.g.l.m.

Zur Machtvermehrung und Ansehen.
Burj Khalifa arabisch übersetzt Burg Kalifa. Unglaubliche 4 Jahre Bauzeit. Bis zur Spitze 829,8 m ca.1,0 Mrd. US $ Baukosten!

Brasilien, Olympischen Spiele währen das Land im Umfeld im Chaos versank.

Und hier in Deutschland?
Ganz anders in Deutschland. Es hat sich in den letzten Jahren ein sehr viel höherer Widerstand in der Bevölkerung bei spektakulären Großprojekten entwickelt.

Es führte dazu, dass sich Star-Architekten mit ihren traditionellen Deutungsbildern und kulturellen Wertvorstellungen auf dem Pfad einer Entmündigung befinden.

In Deutschland oder anders, insbesondere in Westeuropa, ist der Architekt in seiner Schaffenskraft stark durch Bauvorschriften und bürokratische Hemmnisse begrenzt und nicht zuletzt durch Bürgerinitiativen, die seinem freiem Schaffensdrang Einhalt gebieten. Öffentliche Bauaufträge sind einer Vielzahl von Zwängen unterworfen. Ohne Zweifel bietet unsere demokratische Gesellschaftskultur, ein wichtiges Regulativ.

Frei nach dem Motto von Dieter Hildebrand: Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.

Citizen Power, Bürgerbeteiligung
Erlauben Sie mir einen kleinen Exkurs zu dem Thema Bürgerbeteiligung. Gerade in Berlin hat sich die Kreativwirtschaft, die eng mit einer Bürgerbeteiligung manchmal zusammenwirkt diesem Thema in besonderer Form angenommen. Welche Sprengkraft aktive Bürgerbeteiligungen besitzen, können wir sehr gut bei Megaprojekten erkennen. Bürger haben begonnen sich zu empören und sind nicht mehr bereit, durch Kapital und Politik gestützte Projekte zu akzeptieren. Ganz anders als bei den vorhergenannten Beispielen.

Wir haben nicht zuletzt auch erkennen müssen, dass gerade diese Megaprojekte häufig von Korruption und Missmanagement begleitet sind. Die in der Politik und Wirtschaft damit einhergehenden Enthüllungen und die Tragweite der Skandale hat vielfach ein unerträgliches Maß für viele Bürger erreicht. Bürgerbeteiligungen sind heute sehr viel einfacher durch socialmedia Plattformen zu organisieren. Zum Glück wird schnell vergessen und der Missstandes kann wieder von vorne losgehen.

Vertreter der parlamentarischen #Demokratie haben dies längst erkannt und geben aus Angst Stück für Stück Hoheitsrechte ab. Ihnen fehlt oft der Mut sich zu positionieren. Es ist sogar eher Resignation und Rückzug erkennbar. Politiker und staatliche Organe beginnen sich unmerklich zurückzuziehen. Wobei Planer und Architekten in dieser Situation zum Beobachter dieses Prozesses geworden sind. Welche Rolle spielen hierbei die Kammern und Verbände? Warum melden sie sich nicht nachdrücklicher zu Wort?

Es findet ein ungeregelter Transformationsprozess statt. Dem engagierten Bürger fehlt die Legitimation. Dem Parlamentarier wird immer weniger Glaubwürdigkeit attestiert. Beide Seiten: Der empörte Bürger und der gewählte Parlamentarier verlassen ihre ursprüngliche Rolle. Vertreter der Bürgerinitiativen zeichnen sich durch ein hohes, teilweise überzogenes Selbstbewusstsein, große Redegewandtheit aus, und neigen aus der Position der Defensive eher dazu zu überzeichnen, als realistische Lösungen anzubieten. Sie tragen letztlich auch keine Verantwortung. Nicht selten werden von den Bürgern abstruse Konzepte favorisiert.

Parallel dazu erreichen Splitterparteien ohne echte Ziele und Konzepte traumhafte Zustimmungsquoten. Allen mag der Konsens etwas Gutes für das Gemeinwohl tun zu wollen, zu Grunde liegen, doch was wir unter Gemeinwohl verstehen, ist oft sehr divergent. Insbesondere bei Projekten, bei denen eine große soziale und wirtschaftliche Spannung an Ungleichheit spürbar ist.

Oft wird damit argumentiert im Namen für das „Gute“, das zu Bewahrende, dass Nachhaltige, das Richtige, das sozial Gerechte, dass die Allgemeinheit hinter sich wissende, zu kämpfen. Doch findet dieses meist nur bei prominenten Baustellen statt. Es beschränkt sich ausschließlich auf diese spektakulären Projekte. Sie haben mehr Außenwirkung. Doch Verantwortung übernehmen heißt, für alles haften zu müssen.

These: Dennoch ist dieser Protest wichtig, denn ohne diesen Widerstand gibt es keinen gesunden Paradigmenwechsel. Er ist das Salz in der Suppe der Gesellschaft. Es ist unsere Zukunft. Das Bewahren von Gewaltlosigkeit bleibt dabei unsere Hoffnung und Versicherung für die Zukunft. Bleibt sie erhalten, ist es ein wundervoller Motor für eine Veränderung.

Hieran schließt sich die Frage, welche Rolle spielen in diesem Prozess der zunehmenden Bürgerbeteiligung Architekten und wie sind sie auf diese Veränderungen vorbereitet? In welchem schwierigen Spannungsfeld, zwischen Auftraggebern und seinen Nutzern, für die sie planen und bauen, befinden sie sich damit?

Das Einmalige an der Architektur ist, und damit unterscheidet sie sich von vielen anderen produktschaffenden Dienstleistungen, dass sie wohl all gegenwärtig ist und wir uns ihr nicht entziehen können. Wie bei kaum einem anderen Produkt bestimmt sie unser tägliches Leben, sie umgibt uns im wahrsten Sinne, sie umhüllt uns. Wir leben in ihr und mit ihr. Wir durchschreiten sie und damit prägt sie unsere tägliche Stimmung. Architektur ist ein phantastisches Instrument, um mit unseren Sinnen zu spielen.

Sie ist von ihrem künstlerischen Anspruch gleichbedeutend wie Musik, Literatur oder Malerei. Sie verleiht unserem Lebensumfeld Qualität und sollte letztlich in der Gesellschaft ein wichtiges Anliegen sein. Diese Eigenschaften der Architektur haben Diktatoren und Despoten immer erkannt und sich dieses verführerische Momentum der Architektursprache in den Gesellschaften zu Eigen gemacht.

Lassen sie uns eine sehr provokante These diskutieren. – Da die Entwicklungsprozesse hochkomplexer Gebäudeeinheiten immer aufwändiger geworden sind, sei folgende These erlaubt: Die Planungsarbeit des Architekten ist heute eher eine im Entwurfsprozess auftauchende, sich im Team entwickelnde Tätigkeit. Das bedeutet, es gibt keinen Planer mehr, der alle Tätigkeitsfelder, wie in dem alten Rollenverständnis des Architekten folgend, durchführt. Heute sollte die Ausbildung des Architekten jedoch wieder seine Verantwortung lehren, den gesamten Lebenszyklus seines Produktes zu beachten, um die Qualität dadurch erheblich zu verbessern? Somit könnte auch eine ökonomische Optimierung des Produktes erreicht werden? Höchstwahrscheinlich würden die Gesamtkosten für das Produkt über den Lebenszyklus minimiert. Nun, die ökonomische und umweltadäquate Betrachtung ist eine Seite. Würde damit die Individualität des kreativen Geistes auf der Strecke bleiben? Würde die Komposition von „Qualitätsarchitektur“ beeinträchtigt?

Zwar könnten Betriebs- und Wartungskosten für den Gesamtzyklus optimiert werden, aber verliert das Produkt nicht auf der anderen Seite seine Unverwechselbarkeit? Wir kennen diese Diskussion aus der Automobilindustrie seit den ersten Windkanaltests, um optimale CW- Werte zu erreichen. Die Ähnlichkeit des Fahrzeugdesigns hat damit sicherlich zugenommen. Heute ist es beim Konsumenten in der Autoindustrie kein Thema mehr. Wenn wir der Tatsache ins Auge sehen, dass bestimmte Megaprojekte heute nicht mehr optimal geplant und realisiert werden, sollten wir uns neue Entwicklungsmethoden überlegen. Vieles könnten wir in der Architekturausbildung aus der Industrie lernen.

Brauchen wir ein erweitertes Planungsverständnis, eine neue Rolle des Architekten?
Was ist heute die Aufgabe des Architekten im Planungsprozess? Zunächst Grundlagenermittlung. Hierzu zählen vorgeschaltete Maßnahmen und Überlegungen, insbesondere Gespräche mit dem Auftraggeber. Die HOAI erwähnt als sog. Grundleistungen beispielsweise: „Klären der Aufgabenstellung, beraten zum gesamten Leistungsbedarf“ und als besondere Leistungen „Bestandsaufnahme, Standortanalyse.

Über den rein technischen Sachverhalten hinaus besteht die Aufgabe, die Planung in ihrer sozialen und ökonomischen Tragweite zu verstehen und in Form einer geeigneten Kommunikation, die unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen der Beteiligten einschätzen zu können, um ein sozial verträgliches wie ökonomisch optimales Produkt zu formen.

Fassen wir noch einmal zusammen. Das Berufsbild des Architekten hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte erheblich verändert. Brauchen wir in der Ausbildung eine erweiterte Lehre um ökonomische und soziale Aspekte? Wenn wir dem Architekten eine führende Rolle in diesem Prozess zu sprechen wollen, muss er in der Lage sein die Breite dieses Aufgabenfeldes abzudecken, zumindest zu moderieren.

Nur wer Ansprüche stellt, dem werden sie auch erfüllt. Wohl finden kostenminimierende Maßnahmen Eingang in jeden Bauprozess, doch beziehen sie sich häufig ausschließlich auf die technisch- ökonomische Erstellung des Gebäudes. These: Der traditionelle Architekt schafft sich damit ein zu enges Korsett, dass es ihm nicht erlaubt, am gesamten Entwicklungsprozess angemessen am ganzen Prozess Teilhabe zu nehmen. Um wieder Kompetenz zurückzugewinnen, sollte der Architekt während des gesamten Prozessablaufes in der Lage sein, sein Produkt beurteilen zu können. Diese Aussage darf es nicht mehr geben, wir lassen ihn, den Architekten, nur die Fassade machen, den Rest übernehmen wir. Er muss die Rentabilität seines Produktes im Lebenszyklus bestimmen können, um anerkennendes Gehör im Investmentprozess zu finden.

Vielleicht können wir auch sagen, dass es deshalb für den traditionellen Architekten in vorwiegend nicht demokratischen Gesellschaftsstrukturen, es sehr viel einfacher ist, seine aufwendigen architektonischen Ansprüche zu realisieren, als dies für ihn in den hoch entwickelten industrialisierten Gesellschaften möglich ist, wo er neben erheblichen gesetzlichen Beschränkungen in jüngster Zeit auf wachsende Bürgerbeteiligungen stößt, die nicht unisono bereit sind, seine Vorstellungen von qualitativ hochwertiger Architektur in Gänze zu akzeptieren und beginnen viele Konzepte zu hinterfragen. Hierin zeigt sich nach meiner Auffassung auch eine neue Aufgabe in der Architektenausbildung.

Die Frage, die sich für jeden Architekten stellen sollte, wo befindet er sich im Wertschöpfungsprozess? Nimmt er nur eine dienende Funktion ein? Wer nicht einmal den Anfang der Wertschöpfungskette kennt und beurteilen kann, hat kaum eine Chance, Einfluss auf diese gesamte Kette zu nehmen. Deshalb erscheint es mir außerordentlich wichtig, dass sich Architekten, die zweifellos die höchste Kompetenz von allen Beteiligten am Bauprozess besitzen, sich ebenso mit sozioökonomischen Kriterien eines Immobilien Investments auseinandersetzen können. Hierdurch können Sie sich Gehör verschaffen, Ansehen erwerben und einen positiven Beitrag zur allgemeinen Wertschöpfung leisten.

Dies setzt voraus, dass Architekten sich mit den ökonomischen Fragestellungen Ihres Schaffens im Gesamtprozess viel stärker als bisher auseinandersetzen und dies weit über die Beurteilung von Fragen des Baustandards, von Qualität und deren Kosten. Die oft vorhandene Scheu sich am Anfang mit diesen ökonomischen Fragestellungen zu befassen, ist für meine Begriffe vielfach unbegründet. Auch die Argumentation vieler Architekten sich mit diesen Themen nicht auseinanderzusetzen, da es gegen das Berufsethos verstößt, greift viel zu kurz. Denn auf der anderen Seite sind Architekten gerne bereit für Diktaturen Projekte in höchster Reinkultur zu planen und sich damit zu zieren. Auch hier korrumpiert Geld und Geltungsdrang den Architekten nicht minder zu seinen kaufmännisch orientieren Partnern.

Wer diesen Prozess steuern möchte und Verantwortung übernehmen will, muss bereit sein, am Anfang der Wertschöpfungskette sein Wort zu erheben, seine Kompetenz einzubringen, um auf diesen mit einzuwirken und damit im gesamten Prozess wieder an Qualität zurückzugewinnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade Architekten einen hervorragenden Beitrag in diesem Gesamtprozess leisten könnten, da es für Sie sehr viel einfacher ist, zusätzlich zu den technischen wie künstlerischen Voraussetzungen, ökonomische Notwendigkeiten dazu zu erlernen, ohnedem kein optimaler Planungsprozess mehr denkbar wäre.

Nur so können sie sich im Real Estate Investment Market Gehör verschaffen und ihre heute vielfach einstige Reputation und Achtung wieder zurückgewinnen, denn Sie sind diejenigen, die den Gesamtprozess von Ihrer Ausbildung her in der Lage wären, am ehesten zu durchleuchten.