Stadtleben versus Dorfleben – geht beides?

Mieten von 20 Euro/qm und mehr sind für viele Familien auf Dauer nicht tragbar. Hinzukommen die erheblich gestiegenen Nebenkosten in allen Bereichen, wobei die Lohnanpassungen dem hinterherhinken.

1.0       Also welche Reaktionen sind zu erwarten?

Eine zunehmende Unruhe bei den Mietern, eine steigende Frustration gegenüber der Politik, die Mieten sind einfach zu hoch. Auch eine kleinere Wohnung, für die junge, wachsende Familie ist kaum eine Lösung, also bleibt der Wegzug ins Umland, da man seinen Arbeitsplatz in der Stadt nicht aufgeben kann.

Positiv kommt dem zugute, dass die Präsenzzeiten am Arbeitsplatz nach Corona sich fundamental verändert haben. Heute sind zwei Arbeitstage im Office und der Rest im Homeoffice nicht mehr ungewöhnlich. 

Aber wohin sollen die vielleicht bereits schulpflichtigen Kinder und bietet die ländliche Region genügend Anreize für den nicht beschäftigten Partner: in? Wie sieht es mit den so beliebten Restaurants im Kiez im Gegensatz dazu auf dem „Land“ aus? 

In die Oper oder ins Theater da geht es schon, einige Male im Jahr am Abend in die City zu fahren. Aber der alte Freundeskreis, ganz in der Nähe, wird er bleiben, oder sich eher auflösen. Sicherlich zu Anfang werden alle zu Besuch kommen und lobend betonen, wie gut die Luft hier ist und die „Ruhe“, einfach großartig. Aber so schnell sie gekommen sind, so schnell sind sie dann auch wieder weg und die Besuche werden weniger.

2.0       Ist es, dass was einem Bevorsteht, wenn man aufs „Land“ zieht? 

Ja diese Befürchtungen dürften bei einem in Auge gefassten Umzug mitschwingen. Doch bleibt der Familie eine andere Chance, wenn das Haushaltbudget bereits an die 50% für das Wohnrecht 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr in der Stadt zu wohnen kostet, und damit der Freiraum für Reisen, neue Anschaffungen, und viele andere wichtige Dinge, schlichtweg für ein etwas „besseres Leben“ verwehrt bleiben, weil diese 24 Stunden alles auffressen?

Ja, da wäre noch als Argument anzuführen, die Fahrzeiten. Vom neuen Zuhause zur Arbeit und zurück und vor allem auch die zusätzlichen Fahrtkosten, letztlich für die ganze Familie. Immerhin mit dem 49 € Ticket ist ein Ansatz gemacht. 

Verschweigen sollte man aber auch nicht die sozialen Aspekte. Also die damit einhergehende soziale Segregation in der Metropole, also eine Entmischung ehemaliger Stadtbewohner, die dort gerne geblieben wären und nun gezwungenermaßen aufs Land ziehen. Die Konzepte für Nachverdichtungen und Aufstockungen bestehender Bausubstanzen braucht Zeit, und bei der heutigen Konstellation der Preise ist kaum zu erkennen, wo die zukünftigen Mieten für die Neubauten liegen werden.

So kommt es zu einer sich sozial entmischten Stadtlandschaft, bei gleichzeitig dort weiter wohnenden Menschen, die das Privileg von Wohngeldzuschüsse erhalten und denjenigen Bewohnern, die in ihren Wohnungen seit Jahren leben und von den rasant gestiegen Wohnkosten, weniger betroffen sind und ebenso denjenigen, die diese Mieten bezahlen können.

Damit spiegelt sich in kurzen Worten wohl die Ausgangslage wider. Doch wie wäre das Dilemma zu lösen, oder ist es gar kein Dilemma? Immerhin, Städte über 1 Mio. Einwohner sind schon lange nicht mehr die Metropolen, die sich Viele vielleicht wünschen. 

In Berlin leben 3,9 Mio. Menschen. Und wer nicht das Privileg hat in den wohlhabenden Gebieten zu wohnen, erahnt mit welchen Herausforderungen eine Bahnfahrt nach 23:00h verbunden ist. Dort treffen wir am Wochenende auf eine „neue Kultur“. Laute Musik, Trinken, Schimpfen, Geschrei, herumrollende leere Flaschen, beschmierte Türen, Bänke und nicht selten auch einen stechenden Geruch in der Nase. Leider eher die Regel als die Ausnahme. Auch dies gehört zur Großstadtrealität, ganz zu schweigen von einem stets lauernden Gefahrenpotential.

Diese Herausforderungen prägen, wenn auch vereinzelt einen Teil des Stadtbildes. Sie sind Teil einer vielfältigen Stadtkultur und mit den damit verbundenen Herausforderungen müssen Viele, besonders im öffentlichen Dienstleistung Sektor und nicht selten bei den Verkehrsbetrieben umgehen. 

Diese höhere Vielfältigkeit des Lebens in der Stadt trägt damit zu einem anderen städtischen Kulturverständnis bei. So wie wir uns daran gewöhnt haben, dass größere Familien in den Parkanlagen, oft gelöst und fröhlich an den Wochenenden, diese als Grillplatz nutzen. Hierdurch zeichnet sich auch die Vielfalt der Großstädte aus, so wie wir an den Sommerabenden, vor den besonders präparierten, Tuning Fahrzeug“ schlagartig erschrecken, wenn diese mit lauten Auspuffgeräuschen, möglichst nah an einem vorbeirasen, obwohl es eigentlich eine dreißiger Zone ist. 

Wird es dieses sein, was der Stadtflüchtige vermissen wird? Vielleicht schon, oder gerade eben nicht. 

Leben in den modernen Großstädten heißt sich heute mehr denn je anzupassen, das Eine herauszufiltern und das, für einem Wichtige, zu erkennen, zu schätzen in all diesem Gewirr an unsäglich Unnützen.

Gehen wir davon aus, dass die Mieten (vorerst) nicht sinken werden, die Baupreise bleiben stabil, die Zinsen in den nächste drei Jahren nicht fallen werden und die Nachfrage derjenigen, die in der Lage sind, diese hohen Mieten zu zahlen sinkt, dann wird insbesondere der „Mittelstands Bürger“ vielleicht der erste sein, der bereit ist das Zepter in die Hand zu nehmen, und den Schritt raus aus der Stadt zu ergreifen. 

3.0       Kann Politik und Raumordnungsplanung dabei helfen?  

Zweifellos ja. Ohne ein Zusammenwirken von Bund, Land und Kommunen wird es nicht gehen. Es ist eine Querschnittsaufgabe. Genau darin liegt auch die Lösung. Unsere föderale Politik, so wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, hat zum wirtschaftlichen Ausgleich in schwächere Regionen eine Verteilung öffentlicher Einrichtungen vorgesehen. Eben nicht so, wie wir es aus Paris oder London kennen, wo nahezu alle Konzerne und Verwaltungen sich angesiedelt haben.

Dies setzt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit voraus. Es erfordert die jeweiligen regionalen Vorzüge und Stärken des anderen zu erkennen, und für einen Ausgleich der jeweiligen Defizite zu sorgen. Dabei kommt ist es weniger auf das Zusammenspiel zwischen der Großstadt und den angrenzenden direkten Stadträndern an. 

Es sind die Orte, die bei einer optimalen Infrastruktur, in weniger als einer Stunde zu erreichen sind. Also Orte, die 60 km und mehr entfernt liegen. Orte, die ein Zentrum, eine Stadtstruktur besitzen. Orte, die alles das zu bieten haben, was der Ballungsraum aufgrund seiner Größe nicht mehr bieten kann. Der Charme des Überschaubaren, des Bekannten, so wie der Kiez in der Großstadt, für ein sich zuhause fühlen sorgt.

Für diese Ort bedeutet es die Herausforderungen anzunehmen. Sie brauchen auch ein neues offeneres Verständnis dem Neuen gegenüber. Denn es ist nicht nur mit der schnellen Bahnverbindung und dem Ausweisen eines neuen Baugebietes getan. Hierin liegt die größte Herausforderung. Es braucht Promotoren, die unterstützen, die dafür werben, die die Vorteile herausstellen können, die die ansässigen Bewohner überzeugen können, als auch den neuen Bewohnern Perspektiven aufzuzeigen, also eine große Aufgabe für den Kommunalpolitiker: in. 

Um die Zusammenarbeit zu verbessern, könnten gezielte Maßnahmen ergriffen werden, wie 

Initiativen zur Förderung des Austauschs zwischen den verschiedenen Beteiligten. Die Schaffung von finanziellen Förderungen für gemeinsame Projekte. Es wäre wichtig, dass alle politische Entscheidungsträger sich für diese Maßnahmen einsetzen, um eine Kultur der Zusammenarbeit und Koordination zu fördern und so die Herausforderungen, vor dem wir stehen, gemeinsam anzugehen.

Es wäre hilfreich, wenn der Bund und die Regierung des Ballungsraumes zur Stärkung der Attraktivität in den ländlichen Regionen gezielte Förderprogramme auflegen würden. Da die ländlichen Regionen oft mit Abwanderung und einem Mangel an Arbeitsmöglichkeiten zu kämpfen haben. Durch gezielte Programme könnten gleichzeitig neue Arbeitsplätze geschaffen und die Infrastruktur verbessert werden, was dazu beitragen würde, dass die Menschen in diesen Regionen bleiben oder sogar zurückkehren und ein Zuzug, der nicht nur der Not des Wohnraummangels geschuldet ist, die Folge wäre. Darüber hinaus könnten auch Anreize für Unternehmen geschaffen werden, damit diese in den ländlichen Regionen investieren und somit die Wirtschaft ankurbeln, bis hin zu Neuansiedlungen.

Auch die Deutsche Bahn AG könnte eine wichtige Rolle spielen, indem sie ein spezielles Programm auflegt, um die Erreichbarkeit zwischen der Großstadt und den neuen attraktiven ländlichen Regionen um die Großstadt herum, zu verbessern. 

Mit einem solchen Programm könnte die Bahn dazu beitragen, dass mehr Menschen in diese Regionen ziehen und die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Gebieten vorantreiben. Gleichzeitig könnte sie dazu beitragen, den Verkehr in der Großstadt zu reduzieren und die Umweltbelastung zu verringern. Es wäre notwendig, dass die Politik diesen Prozess initialisiert und begleitet. 

4.0       Eine Chance für innovative Wohnbaukonzepte

Innovative Wohnneubaukonzepte zeichnen sich in der Regel durch eine Kombination aus modernem Design, nachhaltigen und energieeffizienten Technologien sowie einem flexiblen und funktionalen Grundriss aus. Eine unglaubliche Chance für diese betroffenen Städte um die Ballungsräume herum.

Die neuen flexiblen, innovativen Wohnkonzepte sind viel genauer an den Bedürfnissen der Bewohner angepasst. Sie berücksichtigen, dass die Bewohner zu einem Teil Ihrer Arbeit im Homeoffice in der neuen kleinstädtischen oder dörflichen Region verbringen und damit auch ein Interesse an direkter Kommunikation haben, also entsprechende Einrichtungen anbieten. Auch die Grundrisse sind anders gestaltet, offen und flexibel. Die verschiedenen Lebensphasen und Bedürfnisse sind zu berücksichtigen.

Sie sollten Gemeinschaftsräume wie Coworking-Bereiche, Lounges, Dachterrassen oder sogar Gemeinschaftsgärten, die den Bewohnern zusätzliche Räume zum Arbeiten und Entspannen bieten, vorsehen.

Diese innovative Wohnkonzepte nutzen moderne Technologien, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Hierzu zählen Solaranlagen, Wärmerückgewinnungssysteme, hocheffiziente Heiz- und Kühlsysteme sowie die Verwendung von nachhaltigen Materialien.

Auch eine serielle Modulbauweise ermöglicht die so notwendige schnellere und kosteneffiziente Bauweise. Dabei werden vorgefertigte Module auf der Baustelle zusammengesetzt, was die Bauzeiten verkürzt und die Baukosten reduziert. Architektenwettbewerbe können hier neue Maßstäbe setzen und damit Anreize schaffen sich dort anzusiedeln.

Es gibt bereits viele internationale Architektenwettbewerbe, die sich mit solchen innovativen Wohnkonzepten befassen. Ein Beispiel ist der Solar Decathlon, bei dem Studenten innovative Wohnkonzepte mit Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz entwerfen und bauen. Andere Wettbewerbe sind der „Archiprix International“ oder der International „Highrise Award“.

Ein gutes Beispiel für ein innovatives Wohnkonzepte ist das Projekt „Wohnen für alle“ in Hamburg, bei dem nachhaltige, modulare Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen gebaut werden. Die Wohnungen sind energieeffizient, flexibel und bieten Gemeinschaftsräume für Coworking und Freizeitaktivitäten. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt „The Collective“ in London, das flexible Wohnungen mit Gemeinschaftsräumen und einer Coworking-Fläche bietet.

5.0       Vom Schrumpfen zum Wachsen

Ungeahnte Chance für Städte die in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Einwohnern verloren haben.

Eigentlich durch eine schnelle Bahnverbindung sollte beispielweise Frankfurt (Oder) hierbei im Focus stehen. Autobahnanschluss, der Fluss Oder bis zur Ostsee mit seinen Möglichkeiten für diverse Freizeitaktivität und auf der polnischen Seite ungeahnter landschaftlicher High Lights. Auch die Nähe zum BER und vielleicht sogar ein expandierendes Tesla Werk. 

Bodenpreise und Mieten sind moderat. Gerade mal um die 60 km vor den Toren der Hauptstadt. Würde ein Agreement mit der DB getroffen, dann sollte es unter 40 Minuten zwischen der Hauptstadt und Frankfurt (Oder) flott möglich sein, zu pendeln. 

Hinzukommt die internationale Europa-Universität VIADRINA. Die Studenten beweisen schon heute, dass sie nicht zu weit entfernt ist, und viele von ihnen pendeln täglich zwischen Berlin und der Universität. 

Wäre dort nicht ein solches innovatives Wohnprojekt eine hervorragende Chance für beide Seiten. Sowohl für den überlasteten Ballungsraum Berlin als auch für die Stadt Frankfurt (Oder), beide könnten davon profitieren? Vielleicht sogar in Kooperation mit der Universität ein erweiterter universitärer „International open Campus“ mit einem innovativen Wohnkonzept? 

Es wäre ein Pilotprojekt, um diese Region aus sich heraus weiterzuentwickeln. Setzen sich alle Beteiligten zusammen, dann dürfte es Signalwirkung haben. 

Es gilt, es zu Tun. So heißt es rasch die Initiative zu ergreifen, um die Zeit zu nutzen ganz vorne dabei zu sein. Hier wird sich zeigen, wer die Zeichen der Zeit erkannt hat und vor allem mit Engagement, Kreativität und Geschick die Nase vorne haben will, denn es bieten sich viele Städte aus dem Umland an.