Gibt es im schwarzen Loch keine Solidarität? – Gravitation der Cities

Ein Prozent Nettorendite in der Kern-City Berlin und sieben Prozent nur 45 Fahrminuten davon entfernt. Also das Siebenfache an Ertrag. Und trotzdem kein Investor, der Interesse zeigt, während es viel Investmentnachfrage für ein Prozent gibt.

Wie passt das zusammen? Ist es der Traum von unglaublicher Wertsteigerung durch Wachstum (Verdopplung des Immobilienwerts in wenigen Jahren)? Womit wird diese Wertsteigerung erkauft?

Städte um Berlin wie Frankfurt (Oder) sind scheinbar abgehängt. Schon gar nicht im Fokus ausländischer Investoren. Die stadtwirtschaftliche Entwicklung ist dort nahe dem Nullpunkt. Der hohe Attraktivitätsquotient der Stadt Berlin ist vergleichbar mit einer starken Gravitationskraft. Er zieht aus dem Umfeld alles in seinen Bann und gibt nichts mehr ab.

Dieser Effekt wird noch durch regionale Zuständigkeiten und darauf basierenden politischen Entscheidungen innerhalb der Stadtgrenzen verstärkt. Die Einen haben bald alles und die Anderen bald zu wenig.

Das Wissen um diese Zusammenhänge ist wahrlich nichts Neues, aber deren Heftigkeit ist heute durch die Menge des freigesetzten Investmentkapitals in der Hauptstadt enorm groß. Die damit einhergehenden stadtkulturellen wie stadtwirtschaftlichen Veränderungen schaffen Konflikte aber in beiden Städten. Ungesunde Monostrukturierung und Tristes nur 45 Minuten davon entfernt. Es gilt sich zwischen Egozentrik (aus dem Blickwinkel einer Metropole) contra Solidarität zu seinem Nachbarn im direkten Umfeld zu entscheiden. Aber wie soll das gehen? Warum sollte man es tun?

Hält dieser Zentrierungsprozess an, dann führt er langfristig zu einer Erosion. Überspitzt: Die City überhitzt und das Umfeld verödet (sozial wie auch wirtschaftlich).

Insbesondere die damit verbunden sozialen Begleiterscheinungen können wir in den „Pariser Banlieues“ ablesen. Also die Forderung heißt rechtzeitig davon lernen, um konsequent und gezielt gegenzusteuern.

Wir brauchen wieder ein Mehr an regionalübergreifender weitsichtiger Politik. Beide Seiten, die Abgehängten und die Wachsenden müssen, um die Chance des erfolgreichen Miteinander zu erkennen, den Mut aufbringen, enger zusammenzuarbeiten. Denn gemeinsam wären die Vorteile für beide Seiten größer.

Also abgeben um langfristig zu gewinnen. Es wäre eine Verpflichtung des „Gravitant“ diesen Dialog zu beginnen.

Es sollten Einzelprojekte gesucht werden, die zu einem wünschenswerten Interessensausgleich zum Wohle Beider führen. Attraktives Wohnen nur 45 Minuten entfernt, mit hoher Qualität, kostenadäquat und besten modernen Schulen wie Kindergärten ohne eine tobende emissionsbelastete laute Stadt, wäre sicherlich ein nachgefragtes Asset.

Wir müssen den Investoren diese Story viel mehr erzählen. Pre-Investment und gezieltes werben beider Seiten für eine gemeinsame Wirtschaftsregion schafft beim Kapital vertrauen. Herausragende Projekte können dies unterstützen und den Prozess in Gang setzen. Wir sollten diesen Dialog sehr bald beginnen?

Investmentkapital drängt und verändert die Stadtstrukturen – verpassen wir die Zukunft?

Berlin wächst. Der Immobilienmarkt wird besonders durch ausländisches Kapital getrieben. Die sich heute rasch neu formierende Hauptstadt steht im Wettbewerb zu anderen europäischen Hauptstädten. Paris und London haben gezeigt wohin die Reise zu einer Metropole führt, aber damit ebenso auch, wo die Probleme einer schnell wachsenden Stadt liegen. Soziale Segregation, dem Entstehen neuer Siedlungsstrukturen, insbesondere in den Randbereichen der Stadt, meist ohne kulturelles Fundament und ohne soziale Einrichtungen. Dagegen in der Kern-City immer mehr Monostrukturen, die durch Luxus-Einkauf, Restaurants, Lobby und hochwertige Dienstleistungen geprägt werden. Ausländische Investoren haben diesen lukrativen Wachstumstrend schon lange erkannt und sehen darin klar ihre heutigen Investmentchancen.

Eine Wohnanlage in dem Berliner Brennpunkt „Kottbusser Tor“, einst eine No-Go-Area für ausländische Investoren, ist für sie heute schon lange kein Tabu mehr. Während die Inländer noch diskutieren, erfolgt der Besitzwechsel im Vorbeigehen. Kapital ist scheinbar in großen Mengen vorhanden.

Die notwendige Herausforderung des Bewahrens von Multifunktionalität in der City, also Wohnen zu akzeptablen Mieten, die im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen stehen, Einkaufen und soziales Leben, werden scheinbar in der öffentlichen Diskussion auf das Zügeln einer Mietpreisentwicklung“ reduziert, als ob man dem drängenden Kapital damit etwas wirksames Entgegensätzen könnte. In Paris und London hat es nicht funktioniert. Und in anderen Metropolen ebenso wenig.

Die Stadtentwicklungspolitik hat kaum noch die Chance, Leitlinien, Perspektiven und vor allem, mitreißend und kommunikativ für ihre Bewohner, für etwas Neues, Faszinierendes zu werben. Hoffnungslos unterbesetzt, im Dschungel der Tagespolitik und Verordnungen eingebunden, ist von der Politik wenig Durchschlagendes zu erwarten.

Hinzu kommt der in den nächsten Jahren dramatisch einsetzende Wandel in der Verkehrsinfrastruktur. Mit 5G schnellen Netzen und der fortschreitenden 4.0 Revolution auf allen Ebenen, nicht nur in der Produktion, wird der Anforderungskatalog an die Stadtgestaltung und -entwicklung völlig neu definiert.

Smart City braucht Antworten, aber auch Leidenschaft. Wer heute dafür die richtigen Weichen stellt, wird morgen davon profitieren. Es wird Zeit gerade in Berlin mehr darüber zu sprechen. Neue Fahrradwege sind nicht falsch, aber zu wenig, um der Zukunft professionell zu begegnen. Es braucht eine breite Diskussion. Eigentlich wären die Voraussetzungen hervorragend. Das Kapital sucht Investment. Eine Hauptstadt im Wandel, wie keine andere. Was fehlt: Ist ein tiefgreifender Dialog mit allen relevanten Playern. Wollen wir ihn beginnen?